Der Beschluss, in allen bayerischen Behörden per Dekret ein Kreuz aufzuhängen, sorgt über Parteigrenzen hinweg für große Empörung. "Wir wollen keinen Kulturkampf", sagte Carsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung. Staat und Kirche seien nach dem Grundgesetz getrennt. Für die in Bayern geplante Vermischung habe er deshalb kein Verständnis. Aus dem Bundestag erhielt Schneider dafür Zustimmung.
Das Bayerische Landeskabinett hatte am Vortag beschlossen, dass ab dem 1. Juni in jeder staatlichen Behörde ein Kreuz hängen soll. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht darin keinen Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot. "Das Kreuz ist das grundlegende Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung", sagte er.
Politiker anderer Parteien erkennen in dem Vorstoß ein Wahlkampfmanöver. Sie werfen der CSU vor, vor der Landtagswahl im Oktober bei konservativen Wählern auf Stimmenfang zu gehen. "Nein, Söder geht es nicht um Geschichte, um Tradition, um Zugehörigkeit. Ihm geht es um Spaltung und Abgrenzung und schließlich billigen Wahlkampf", sagte die grüne Fraktionschefin Göring-Eckardt der SZ. Ähnlich äußerte sich FDP-Chef Christian Lindner "Weder ist das Grundgesetz getauft, noch sollte Religion ein Wahlkampfthema werden. Markus Söder ist im wahrsten Sinne nichts heilig." Lindner forderte die CSU auf, statt Symbolpolitik bei der "Abschiebung von Illegalen" bessere Zahlen vorzulegen.
Kruzifix-Befehl:CSU missbraucht das Kreuz als politisches Dominanz-Symbol
Die bayerische Staatsregierung hat angeordnet, ein Kreuz im Eingangsbereich jeder Behörde anzubringen. Aus der religiösen Kernbotschaft wird so ein billiges "Mia san mia".
Söder lässt sich beim Aufhängen eines Kreuzes fotografieren
Vor allem die Art und Weise, wie Söder die neue Vorschrift präsentierte, sorgte für Protest. Er hatte persönlich ein Kreuz nach der Kabinettssitzung am Dienstag in der Eingangshalle der Münchner Staatskanzlei angebracht und sich dabei fotografieren lassen. Angeblich soll es sich bei dem Kreuz um ein Geschenk des Münchner Kardinals Friedrich Wetter handeln, das noch bis 2008 im Kabinettssaal hing.
Die Fraktionschefin der AfD, Alice Weidel, sprach hingegen von einem "Wahlkampf-Accessoire". Sie wirft der Union vor, das Grundgesetz nur mit "Symbolpolitik" zu schützen. "Viel wichtiger als ein Kreuz im Eingangsbereich ist die Frage, wer unter diesem hindurch schreitet, um sich vom deutschen Sozialsystem zu bedienen," sagte Weidel. Der Linken-Politiker Jan Korte hält das Kruzifixdekret indes für verfassungswidrig. Dahinter verberge sich eine "Instrumentalisierung von Religion für persönliche Zwecke".
Aus der Unionsfraktion im Bundestag wollte Söder am Mittwoch niemand öffentlich beispringen. Stattdessen erhielten die Kritiker Zuspruch von mehreren Religionsvertretern. Mohamed Abu El-Qomsan, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Bayern, sieht den staatlichen Neutralitätsgrundsatz sehr wohl verletzt. Das Kreuz sei "selbstverständlich" ein religiöses Symbol, sagte El-Qomsan der Zeitung Die Welt. "Weder Juden noch Atheisten noch Muslime identifizieren sich damit." Aus der Sicht des Zentralrats der Muslime müsste Bayern deshalb konsequenterweise wieder das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Dienst erlauben.
Bamberger Erzbischof wendet sich gegen falsches Verständnis des Kreuzes
Ähnlich argumentierte der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm: "Wir als Christen und wir als Kirchen werden natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass das Kreuz zuallererst ein religiöses Symbol ist." Es sei aber gar nicht entscheidend, ob das Kreuz an der Wand hänge oder nicht, sagte Bedford-Strohm, sondern ob es "auch vom Inhalt her mit Leben erfüllt wird". Er forderte die bayerische Staatsregierung auf, dem christlichen Anspruch in der Flüchtlingspolitik besser gerecht werden. Zuvor hatte sich bereits der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gegen ein falsches Verständnis des Kreuzes gewandt. "Das Kreuz ist kein Identitätszeichen irgendeines Landes oder eines Staates", sagte er im Interview mit dem Kölner Domradio.
Unterstützung erhielt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder indes von der Israelitschen Kultusgemeinde München. Gerade vor dem Hintergrund der "Mammutaufgabe Integration" halte sie es für "wichtig und richtig", die Normen und Werte zu definieren und deren Anerkennung einzufordern, sagte Präsidentin Charlotte Knobloch.