Süddeutsche Zeitung

Bayerisches Polizeiaufgabengesetz:Ein ungleiches Trio gegen die CSU

Lesezeit: 4 min

FDP, Grüne und Linke verbindet nichts? Von wegen! Ihre Fraktionschefs haben sich entschlossen, das bayerische Polizeiaufgabengesetz gemeinsam zu bekämpfen - die CSU macht manches möglich.

Von Stefan Braun, Berlin

Das hätte sich Christian Lindner wohl selbst nicht träumen lassen. Einmal mit Linken und Grünen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz - und das dann auch noch mit einem gemeinsamen Kampfauftrag? Niemals, hätte der FDP-Chef wahrscheinlich geantwortet, wenn man ihn vor einem Jahr nachts um drei spontan danach gefragt hätte.

Die CSU aber unternimmt derzeit viel, womit sie andere Parteien provoziert. Und so entstehen die ungewöhnlichsten Bündnisse, um sich den Plänen der CSU-Alleinregierung in Bayern in den Weg zu stellen. Als Lindner am Montagmorgen mit Katrin Göring-Eckardt von den Grünen und Dietmar Bartsch von den Linken vor den Mikrofonen Platz nimmt, eint das ungleiche Trio das selbe Anliegen: Sie wollen gemeinsam das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz zu Fall bringen.

Dabei sind sich Lindner, Bartsch und Göring-Eckardt nicht nur in der Zielsetzung einig - sie sind schlicht zur Kooperation gezwungen, wenn sie etwas erreichen möchten. Anders nämlich wäre der Antrag zur Normenkontrolle beim obersten deutschen Gericht, den sie am Montag vorgelegt haben, gar nicht möglich gewesen.

Keine Geheimpolizei für Deutschland

Lindner erklärt das Motiv zu Beginn entsprechend nüchtern: "Zusammen stellen wir mehr als 25 Prozent der Abgeordneten im Bundestag - damit sind wir klagebefugt beim Bundesverfassungsgericht."

In ihrer Bewertung des Gesetzes sind sich die Drei einig, auch wenn sie es in unterschiedliche Worte packen. Lindner beklagt, dass das bayerische Gesetz keine Balance zwischen Sicherheit und Freiheit schaffe. Im Gegenteil, es sei "ein Angriff auf die Freiheit." Die Vorfeldarbeit sei der Polizei ausdrücklich untersagt, es dürfe in Deutschland keine Geheimpolizei geben. Das bayerische Gesetz aber wolle genau das möglich machen. Deshalb sei die FDP so vehement dagegen.

In diesem Zusammenhang erinnert Lindner ausdrücklich daran, dass das Bundesverfassungsgericht 2016 für den Bereich der Terrorismusbekämpfung Ausnahmen zugelassen habe. Die CSU aber gehe viel weiter, in dem sie es auf die "Alltagskriminalität" ausweite. Die Ausnahme also solle zur Regel gemacht werden. Dabei verweist der FDP-Chef an den sogenannten Präventivgewahrsam, der laut neuem Gesetz "bei drohender Gefahr" für drei Monate verhängt und immer wieder verlängert werden könne. Ein Element des CSU-Gesetzes, den die Liberalen für besonders problematisch halten.

Dietmar Bartsch betont, das neue Gesetz sei ein Mosaikstein in einer "tiefgreifenden politischen Auseinandersetzung". Aus seiner Sicht geht es um die Auseinandersetzung zwischen einem Rechtsstaat und einem Willkürstaat; und "in diesem Fall geht es eindeutig in Richtung des Zweiten", sagte der Fraktionschef der Linken im Bundestag. Das Polizeiaufgabengesetz senke die Schwelle für Eingriffe in Grundrechte stark ab; die Polizei erhalte eine "Kontrollkompetenz", wie es sie aus guten Gründen seit 1945 nicht mehr gegeben habe.

Ob Göring-Eckardt, die wie Bartsch in der DDR groß wurde, das genauso sieht, lässt die Fraktionschefin zunächst offen. Ein bisschen schlucken aber muss sie schon, als Bartsch mal eben nonchalant ignoriert, dass es in der DDR auch eine ziemlich große "Kontrollkompetenz" der Polizei gegeben hat. Und so erklärt die Grünen-Politikerin wenig später entsprechend, sie würde das bayerische Gesetz an die DDR erinnern. Dort hätte die Polizei auch immer und überall kontrollieren dürfen - "ob Anlass oder nicht".

Ansonsten aber spricht auch Göring-Eckardt gut über die neue "Allianz für den Rechtsstaat" und fügt hinzu, dass ebendieser Rechtsstaat bei der CSU offensichtlich "nicht mehr in guten Händen ist". Mit ihren Plänen gerate jeder unter Generalverdacht, das mache aus "einer Polizei der Bürger eine Polizei des Staates".

Die vehemente Ablehnung der Drei ist auch der Grund für das ungewöhnliche Vorgehen. In diesem Fall nämlich legen die drei Fraktionen keine Verfassungsklage ein, wie es zum Beispiel der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae aus Bayern mit Verweis auf die persönliche Betroffenheit getan hat. Lindner, Bartsch und Göring-Eckardt haben sich auf eine so genannte "abstrakte Normenkontrolle" verständigt.

Dabei handelt es sich formal nicht um eine Klage; deshalb gibt es auch nicht die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung. Trotzdem muss das Bundesverfassungsgericht über den Antrag entscheiden - und kann auch auf diesem Wege das bayerische Gesetz am Ende für verfassungswidrig erklären.

Besonders im Visier ist laut Rechtsbeistand Thorsten Kingreen der wenig konkrete Begriff der "drohenden Gefahr". Der Rechtsprofessor aus Regensburg betont, anders als bei dem juristischen Begriff "Gefahr im Verzug" bleibe der Vorwurf hier unspezifisch. Bei "Gefahr im Verzug" brauche es eine konkrete Person, eine konkrete Gefahr und einen konkreten Ort; bei der "drohenden Gefahr" kenne man nur die vielleicht gefährliche Person. Eine solche "sprachliche Ungenauigkeit ist der erste Schritt hin zu unrechtsstaatlichen Zuständen", so Kingreen.

Lindner, Bartsch und Göring-Eckardt geben sich sehr zuversichtlich, vor dem Bundesverfassungsgericht zu gewinnen. Weil das aber noch ziemlich lange dauern kann, werden sie während ihres Auftritts auch gefragt, ob sie bei möglichen Koalitionsverhandlungen nach der bayerischen Landtagswahl im Herbst ein Ende des Gesetzes zur Bedingung für künftige Bündnisse machen würden. Darauf zeigen sich bei dem Trio kleine, feine Unterschiede.

Beim Thema Maaßen geben alle dieselbe Antwort

Bartsch sagt lächelnd, er werde kaum vor der Frage stehen, weil die Linken für die CSU als Partner sicher nicht in Frage kämen. FDP-Mann Lindner betont, Bedingungen für eine Koalition seien allein Sache des Landesverbands. Er könne nur sagen, dass es bei der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten mit ihm "keine Kompromisse" geben werde.

Und so lässt sich nur Göring-Eckardt kein Türchen offen. Aus ihrer Sicht sei vollkommen klar, dass eine Koalition ausgeschlossen sei, wenn die CSU an dem Gesetz fest halte. Das aber, so die ehemalige Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl, sei nicht ihr Auftrag an die Grünen in Bayern, sondern eine Entscheidung, die die längst selbst so getroffen hätten.

Absolute Einigkeit zeigt sich am Ende freilich doch noch, und zwar an zwei Stellen. So betonen alle, dass diese Art der Kooperation natürlich eine Ausnahme bleibe und vor allem dem gemeinsamen Gegner geschuldet sei. Und auf die Frage, ob Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zurücktreten müsse, wenn er seine Wertungen der Ereignisse in Chemnitz nicht belegen könne, antworten sie derart geschlossen, dass man geneigt ist zu sagen: Da passt quasi kein Stück Papier zwischen die drei ungleichen Fraktionschefs. Göring Eckardt sagt Ja; Lindner sagt auch Ja.

Und Bartsch ergänzt das mit der Floskel, er schließe sich seinen Vorrednern an. In diesem Augenblick müssen die drei ungleichen Partner dann doch noch schmunzeln.

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