Süddeutsche Zeitung

Bautzen:Wie ein CDU-Kommunalpolitiker in Sachsen sich bei den Rechten beliebt macht

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Biedert sich ein Christdemokrat bei Verschwörungsanhängern und Neonazis an? Ein Auftritt von Udo Witschas zur Impfpflicht wird von Rechtsextremen jedenfalls gefeiert.

Von Nicolas Freund und Ulrike Nimz, Leipzig

Ein Kommunalpolitiker der CDU, der vor Gegnern der Corona-Maßnahmen auftritt, um über die Impfpflicht zu sprechen, kann nicht unbedingt mit Beifall rechnen. Doch als Udo Witschas am Montagabend in Bautzen vor dem Landratsamt stand, ging ein Teil seiner Rede in Jubel unter: "Wenn Sie mich danach fragen, was das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen machen wird ab dem 16. 3., dann werden wir unseren Mitarbeitern im Pflege- und medizinischen Bereich kein Berufs- oder Betretungsverbot erteilen." So sprach der Vize-Landrat. Man kann sich das alles anschauen, in einem Videoschnipsel, verbreitet über die Social-Media-Kanäle der "Freien Sachsen". Die rechtsextreme Kleinstpartei mobilisiert seit Monaten landesweit für illegale Versammlungen. Immer wieder kommt es am Rande zu Angriffen auf Polizisten und Journalisten.

Biedert sich da ein Christdemokrat bei Verschwörungsanhängern und Neonazis an? Und wie stellt man sich das vor in Bautzen - will man ein Bundesgesetz einfach ignorieren? Auf Fragen wie diese reagiert das Landratsamt mit einer Erklärung des ersten Beigeordneten. Er habe die Gesetzeslage nicht infrage gestellt, schreibt Udo Witschas, der auch zuständig für das Kreisgesundheitsamt ist. Er habe beruhigend auf die Teilnehmer der Demonstration einwirken wollen, mit dem Hinweis, dass es wegen Einzelfallprüfungen keinen Automatismus für Betretungs- und Tätigkeitsverbote gebe. Man halte jedoch an der Forderung nach einer Aussetzung oder Aufhebung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht fest. "Wesentliche Impflücken" in Kliniken, Heimen und bei ambulanten Pflegediensten seien eine Gefahr für die Versorgungssicherheit, so Witschas. "Für den Umstand, dass meine Äußerungen in der emotionalen Atmosphäre gegebenenfalls fehlinterpretiert werden, bitte ich um Verständnis."

Ist da einer nur falsch verstanden worden? Falls ja, dann auch von der eigenen Partei. "Bundesgesetze sind nicht fakultativ, sondern durch die zuständigen Stellen anzuwenden. Das gilt selbstverständlich auch für die Verwaltung der Landkreise und insbesondere für politische Verantwortungsträger", sagt Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks. Die Pandemie könne nur durch Solidarität, Rücksicht und Schutzimpfungen beendet werden. "Hierfür tragen die sächsische Union und ihre Mandatsträger auf allen politischen Ebenen Verantwortung." Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht in Berlin, geht bei der Einordnung des Falles noch weiter, spricht von einer Rechtswidrigkeit. Falls es im Zuge der Nichtumsetzung zu Ansteckungen komme, könnten gegenüber Landrat oder Landkreis Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden.

Dass sich die sächsische CDU-Spitze vergleichsweise zurückhaltend zum Parteikollegen aus Bautzen äußert, mag auch damit zu tun haben, dass dieser sich im Juni zum Landrat wählen lassen will. In einer Region, in der die CDU zuletzt stets der AfD unterlegen war. Der Wahlkampf hat noch nicht offiziell begonnen, aber im Bautzener Landratsamt gab man sich zuletzt auffällig widerständig. Als der Freistaat das 2-G-Modell einführte, brachte der Landkreis vergeblich eine 1-G-Regelung ins Spiel - Testpflicht statt Impf- oder Genesungsnachweis. Infektionsschutzbeschränkungen für Demonstrationen wurden durch Sondergenehmigungen unterlaufen. Und auch Udo Witschas erregte schon einmal Aufmerksamkeit, als 2017 Facebook-Chats mit einem NPD-Kreisverbandschef öffentlich wurden. Witschas verlor damals seine Zuständigkeit für das Ausländeramt. Seinen jüngsten Auftritt jedenfalls feiern die rechtsextremen "Freien Sachsen": als "ersten Erfolg" im Kampf gegen die Impfpflicht.

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