Baustellen der Koalition:Fröhlich von Fettnapf zu Fettnapf

CDU-Wahldebakel in NRW sorgt für dicke Luft bei Schwarz-Gelb

CSU-Chef Horst Seehofer will die absolute Mehrheit in Bayern zurück. CDU-Chefin Angela Merkel will Bundeskanzlerin bleiben.

(Foto: dpa)

Homo-Ehe, NPD-Verbot, Fracking: Wenn das Chaos nicht von außen kommt, dann produziert es die Koalition eben selbst. Erstaunlich, mit welcher Konsequenz sie es so schafft, sogar Erfolge zu einem Desaster werden zu lassen. Doch im Jahr der Bundestagswahl ist eben jeder sich selbst der Nächste.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Noch ist es ruhig an diesem grauen Februar-Tag im politischen Berlin. Keine neuen Ungereimtheiten, kein neues Herumeiern, keine neuen Baustellen. Das grenzt an ein Wunder, denn Baustellen hat diese Bundesregierung innerhalb weniger Tage zahlreiche aufgemacht. Völlig ohne Not zeigt sie sich mal wieder von ihrer desolaten Seite. Wer nach klaren Linien sucht, der sollte dieser Tage besser keinen genauen Blick auf die Koalition wagen.

Das fängt schon mit der Homo-Ehe an. Seit vergangene Woche das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass es eine Ungleichbehandlung mit der Hetero-Ehe nicht mehr dulden wird, schnappatmen die Koalitionäre vor sich hin. Die einen wollen am liebsten sofort die Gleichbehandlung auf allen Ebenen gesetzlich umsetzen um nicht schon wieder eine Klatsche von den Karlsruher Richtern zu riskieren.

Soldaten vom eigenen Dienstherrn beleidigt

Die anderen beißen sich in ihren hergebrachten Wertvorstellungen fest, wollen gar nichts ändern, wozu sie das Gericht nicht ausdrücklich zwingt. Vorne dabei Horst Seehofer, der CSU-Chef. Er will sogar an einer Privilegierung der Ehe festhalten, falls das Bundesverfassungsgericht das nicht mehr zulassen sollte. Die CSU stünde mit ihren Grundüberzeugungen dann nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes. Eine absurde Vorstellung.

Doch die Homo-Ehe ist beileibe nicht das einzige Thema, bei dem die Union ganz schön dumm aussieht. Da ist ja auch noch Thomas de Maizière (CDU), der Verteidigungsminister. Bisher ein Garant für Stabilität und Seriosität im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit Bedacht und Präzision hat er die Bundeswehrreform vorangetrieben, seiner Truppe dabei auch einiges abverlangt. Jetzt nervt ihn der ständige Geltungsdrang seiner Soldaten. Das denkt er nicht nur. Er sagt es auch noch öffentlich. Die Soldaten müssen sich von ihrem obersten Dienstherrn als Jammerlappen vorführen lassen. Das an sich ist schon denkwürdig.

Vergangenen Montag setzte de Maizière aber noch einen drauf. Er begründete auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung zur Sicherheitspolitik die deutschen Waffenlieferungen an Saudi Arabien damit, dass sich durch ein hochgerüstetes Saudi-Arabien auch die Bedrohungslage für Israel verbessere. Und da seien ihm die Menschenrechtsverletzungen vor Ort herzlich egal. Selbst seine Parteifreunde fragten sich, was da gerade in den Minister gefahren war.

NPD-Verbot - ja oder nein?

Fast noch schlimmer ist die breiige Vorstellung von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in Sachen NPD-Verbotsverfahren. Seit die Länder einstimmig ein neues Verbotsverfahren auf den Weg gebracht haben, müssen auch Bundesregierung und Bundestag Haltung zeigen. Die könnte entweder sein, das Verfahren zu unterstützen und selbst einen Verbotsantrag zu stellen. Oder es zu lassen. Die Bundesregierung aber ist nicht mal in der Lage, ein entschiedenes "Vielleicht" zu formulieren.

Innenminister Hans-Peter Friedrich, im Grunde skeptisch gegenüber einem NPD-Verbot, kündigte jetzt an, dass die Bundesregierung wohl auch einen Verbotsantrag stellen müsse. Nicht, weil sie das für richtig hielte. Sondern weil es juristisch keinen anderen Weg gebe, um sich an dem Verfahren mit eigener Stimme zu beteiligen. Eine gemeinsame Haltung hat das Kabinett aber immer noch nicht gefunden. Und die Koalitionsfraktionen auch nicht. Ihr Motto: Soll doch erst die Bundesregierung eine Haltung entwickeln. Dann machen wir das auch. Ist nur zu hoffen, dass sich das Bundesverfassungsgericht von diesem Hickhack nicht beeindrucken lässt.

Dass sich die Bundesminister Philipp Rösler (FDP) und Peter Altmaier (CDU) gegenseitig in der Energiewende behindern, ist dagegen fast schon ein alter Hut. Dass sie es aber auch noch schaffen, ein an sich gutes Gesetz ins Negative zu kehren, spricht ebenfalls Bände. Rösler und Altmaier wollen das Fracking gesetzlich regeln, ein Verfahren, bei dem Erdgas unter hohem Druck und dem Einsatz von Chemikalien aus Gestein gelöst wird. Bisher gibt es dazu keine Regel. Jeder, der wollte, könnte einfach drauf los fracken. Altmaier hat das Gesetz so hinbekommen, dass die Hürden derart hoch wären, dass sich Fracking praktisch kaum umsetzen ließe.

Jeder ist sich selbst der Nächste

Umweltverbände müssten die Regierung dafür eigentlich feiern. Nur hat Wirtschaftsminister Rösler das Gesetz als "gut für die Wirtschaft" gelobt und betont weiterhin die "Chancen" der Methode. Plötzlich steht der Eindruck im Raum, die Regierung wolle Fracking fördern. Rösler hat dem Umweltminister damit einen Shitstorm beschert, der ihn auf Twitter nachhaltig beschäftigt.

Minister und Fraktionsführungen scheinen sich nur auf dem Dienstweg miteinander zu unterhalten. Das Misstrauen wird von Tag zu Tag größer, je näher der Wahltermin rückt - da ist sich jeder selbst der Nächste. Die CSU will unbedingt die absolute Mehrheit in Bayern zurück. Die CDU will nicht die Kanzlerschaft verlieren, nur weil die FDP schwächelt. Die FDP muss sich gegen die Union profilieren, um überhaupt als relevante Größe in der Koalition wahrgenommen zu werden.

Einen Trost jedoch gibt es für die Koalition. Wirklich neu scheint der Zustand, in dem sie sich präsentiert, für den Wähler nicht zu sein. In Umfragen trauen der Fettnäpchen-Regierung ohnehin die wenigsten noch etwas zu. Die schwarz-gelbe Regierung bestätigt so mit den jüngsten Querelen nur ein Bild, dass die Bürger ohnehin von ihr haben.

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