Es gab schon herzlichere Empfänge für Cem Özdemir. In den hinteren Reihen der Messehalle in Cottbus haben Bauern ihre Stühle umgedreht, sie schauen lieber zur Wand als zum Landwirtschaftsminister. Und Applaus bekommt der Grünen-Politiker auch so gut wie keinen. Es ist ganz offensichtlich eine konzertierte Aktion der Landwirte. Buhrufe oder Pfeifkonzerte gibt es allerdings nicht – es hätte noch viel schlimmer kommen können, Vorgänger Özdemirs könnten davon berichten.
Und es rühren sich zwischendrin sogar mal ein paar Hände. Zum Beispiel als Özdemir auf den Umbau von Ställen zu sprechen kommt. Das Thema liegt mittlerweile seit Jahren in der Luft. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher verlangen bessere Bedingungen in deutschen Ställen, mehr Platz für die Tiere, mehr Frischluft, im besten Fall auch Auslauf. Doch dazu müssten die Landwirte in den Umbau ihrer Ställe investieren, ohne sicher sein zu können, dass sich das für sie auch auszahlt. Es bräuchte also Hilfen für den Umbau. Doch woher nehmen?
Erst der „Tierwohl-Cent“ – nun Plan B
Seit den Protesten im Winter wirbt Özdemir verschärft für einen „Tierwohl-Cent“. Ein solcher Aufschlag, erhoben auf tierische Produkte von der Wurst bis zur Butter, könnte Milliarden für den Umbau der Ställe einspielen. Vorgeschlagen hatte das schon 2020 eine Kommission unter Leitung des einstigen CDU-Agrarministers Jochen Borchert, doch Folgen hatte das keine. Auch Özdemir konnte sich mit der Idee nicht durchsetzen. Die FDP lehnt den Vorschlag nach anfänglichen Sympathien inzwischen geschlossen ab.
Doch nun beim Bauerntag zückt Özdemir Plan B: eine Finanzierung über höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch. „Wir könnten sie doch um einige Prozentpunkte anheben“, wirbt der Minister in Cottbus, „aber eine Vereinbarung treffen, dass dieses Geld ausschließlich in der Tierhaltung landet, für den Umbau der Ställe, für höhere Haltungsformen.“ Bisher entfällt auf Fleischprodukte der ermäßigte Satz von sieben Prozent.
Beim teureren Biofleisch würde der Preis besonders anziehen
Der Vorstoß ist offensichtlich mit dem Bauernverband abgestimmt, tags zuvor hatte Bauernpräsident Joachim Rukwied ihn schon vorbereitet. Zwar sei es gerade ärmeren Haushalten nicht zuzumuten, den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu zahlen. Aber eine Erhöhung um „zwei, drei Prozent“ sei denkbar, hatte Rukwied gesagt. „Das Signal haben wir gegeben.“ Özdemir greift das jetzt auf: „Ich finde, das ist ein kluger Vorschlag“, sagt er. „Wie wäre es denn, wenn wir dieses Angebot annehmen?“ Und das am besten „interfraktionell“ im Bundestag – denn von höheren Steuersätzen dürfte vor allem der Koalitionspartner FDP wenig halten.
Allerdings war auch die Borchert-Kommission nicht vollends überzeugt von dieser Variante. Zum einen würde damit das meist wesentlich teurere Biofleisch besonders belastet – schließlich wird die Mehrwertsteuer prozentual auf den Preis aufgeschlagen. Je teurer etwas ist, desto höher der Aufschlag. Zum anderen fließt die Steuer grob zur Hälfte Bund und Ländern zu, was die Sache nicht einfacher macht. Und auch für Özdemirs Verwendungsidee sah die Kommission keinen Spielraum: „Keine Zweckbindung möglich“, schrieb sie.