Über Dietmar Bartsch hat sich in jüngster Vergangenheit in wesentlichen Teilen der Linkspartei die Meinung durchgesetzt, dass er seine große Zukunft schon hinter sich hat. Bis zum großen Krach rund um den Abgang des Parteichefs Oskar Lafontaine hatte Bartsch immer als natürlicher Anwärter auf den Vorsitz gegolten.
Danach schien klar zu sein: über Kreuz mit Lafontaine, unbeliebt im Westen und belastet durch das Image des Strippenziehers, kann aus Bartsch nichts mehr werden. Bartsch ist nun angetreten, das Gegenteil zu beweisen. Nicht ungeschickt hat er dabei zwei Fragen verknüpft: jene, ob er selbst eine Chance hat und die, ob seine Partei noch eine Chance hat.
Seine Kandidatur und seine Forderung nach einem Mitgliederentscheid verbindet Bartsch mit einem politischen Angebot. Er wendet sich gegen die in der Linken vorherrschende Wagenburg-Mentalität und warnt davor, sich mit antikapitalistischen Parolen zu begnügen.
Zwar schreckt Bartsch bislang davor zurück, rot-rot-grüne Planspiele öffentlich auszubreiten. Angst vor Berührungen mit der SPD aber hat Bartsch noch keiner nachgesagt. Deren Abwerbeversuche waren ihm wohl nie wirklich unangenehm. Den bisher verbauten Weg zu einem linken Bündnis jedenfalls würde Bartsch zu öffnen versuchen.
Zuvor aber müsste der ostdeutsche Reformer Frieden mit seinen innerparteilichen Gegnern schließen, allen voran mit Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht. Gegen dieses Paar wird die Linke nicht zu führen sein. Das weiß auch Bartsch. Eine Doppelspitze Bartsch/Wagenknecht wäre für beide ein gewagtes Experiment. Für die Partei könnte es eine Chance sein.