Spanien:Barcelona setzt Beziehungen zu Israel aus

Die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, übt heftige Kritik an Israels Umgang mit den Palästinensern.

Die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, übt heftige Kritik an Israels Umgang mit den Palästinensern.

(Foto: Pau Venteo/dpa)

Die Stadt beendet auch die Partnerschaft mit Tel Aviv - wegen des israelischen Umgangs mit den Palästinensern, erklärt Bürgermeisterin Colau. Das stößt auf heftige Kritik. Wie sehen deutsche Städte die Entscheidung?

Von Nadja Tausche

Es gehe um die "systematische Verletzung von Grundrechten der palästinensischen Bevölkerung": Die Stadt Barcelona hat die offiziellen Beziehungen zum Staat Israel ausgesetzt, inklusive der Städtepartnerschaft mit Tel Aviv. Bürgermeisterin Ada Colau begründete den Schritt in einem offenen Brief an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vergangene Woche unter anderem mit der Gewalt, die das palästinensische Volk erleiden müsse. Die Städtepartnerschaft bestand seit dem Jahr 1998.

Die Stadtverwaltung betont, dass es bei dem Schritt ausschließlich um institutionelle Beziehungen mit dem Staat Israel gehe, nicht um die jüdische Bevölkerung und die jüdische Kultur. Trotzdem hat die Entscheidung zu teils heftiger Kritik geführt - sowohl innerhalb als auch außerhalb Spaniens.

Jüdische Gemeinden sind beunruhigt

Lior Haiat, Sprecher des israelischen Außenministeriums, sprach auf Twitter von einer "unglücklichen Entscheidung", die Extremisten, terroristischen Organisationen und Antisemitismus Rückenwind gebe. Auch jüdische Organisationen übten scharfe Kritik. Von der israelitischen Gemeinde in Barcelona heißt es, die Entscheidung repräsentiere nicht die Einwohner der Stadt und auch nicht das, was Barcelona ausmache.

Man sei beunruhigt ob des Schrittes der Stadtverwaltung, erklärt die Federación de Comunidades Judías de España, die Vereinigung der jüdischen Gemeinden in Spanien, in einem offenen Brief an Ada Colau appelliert der Verband an die Stadt, "Brücken der Harmonie zu bauen und sensibel mit allen Minderheiten umzugehen".

Auch Teile der politischen Riege der Stadt kritisieren die Entscheidung. Laia Bonet, Barcelonas dritte Bürgermeisterin, spricht auf Twitter von einem "sehr schweren Fehler". Xavier Trias, liberalkonservativer Kandidat für die Kommunalwahl im Mai 2023 und ehemaliger Bürgermeister, schreibt, Barcelona müsse Konfrontationen vermeiden und auf Dialog und Verständnis setzen. Die Situation zwischen Israel und Palästina ist zurzeit äußerst angespannt. Immer wieder kommt es auf beiden Seiten zu Gewalt.

Deutsche Städte halten an den Partnerschaften fest

Die deutschen Partnerstädte von Tel Aviv wollen die Entscheidung Barcelonas nicht kommentieren, schließen für sich eine solche Maßnahme jedoch aus. Die Stadt Bonn teilte mit, Deutschland trage bis heute eine historische Verantwortung: "Die Partnerschaft der damaligen Bundeshauptstadt Bonn mit Tel Aviv stand und steht auch im Lichte der Aussöhnung mit den Opfern des Holocaust." Gleichzeitig habe man aber auch Kontakte in den palästinensischen Autonomiegebieten: Man halte es für wichtig, mit beiden Seiten in Kontakt zu stehen und die Menschen zu unterstützen - "insbesondere diejenigen, die an einer Aussöhnung beider Seiten interessiert sind".

Von der Stadt Freiburg im Breisgau heißt es, man habe stets darauf geachtet, staatliches und kommunales Handeln zu trennen: "Als Partnerstadt wollen wir uns in die innenpolitischen Diskussionen nicht einmischen."

Die Stadt Köln schreibt auf Anfrage, natürlich müssten Menschenrechte als Leitlinie von Städtepartnerschaften einbezogen werden. Gleichzeitig aber könnten sich Städtepartnerschaften als sinnvolles Instrument erweisen, um den Dialog zwischen Menschen zu befördern - "trotz und gerade auch bei bestehenden außenpolitischen Differenzen". Auch Frankfurt am Main und Essen teilen mit, eine Aussetzung der Städtepartnerschaften sei nicht geplant.

Nun bietet Madrid der Stadt Tel Aviv eine Partnerschaft an

In dem offenen Brief begründete Bürgermeisterin Colau, die dem Bündnis Barcelona En Comú angehört und als politisch links gilt, die Entscheidung unter anderem mit der Besetzung von Gebieten durch den israelischen Staat. Diese verstoße gegen internationales Recht, heißt es. Die Rede ist von einem Prozess der Verfolgung und Enteignung, der "schon seit mehr als 70 Jahren andauert". Colau bezieht sich auf Organisationen wie Human Rights Watch, die israelische Behörden unter anderem der "Apartheid" beschuldigen, und schreibt: "Die Geschichte hat uns gezeigt, dass wir Bürger Flagge zeigen und eine aktive Rolle einnehmen müssen bei der Friedensbildung und bei der Verteidigung von Menschenrechten."

Colaus Entscheidung vorausgegangen war die Petition mehrerer propalästinensischer Gruppen, die unter dem Motto "Barcelona mit Apartheid Nein, Barcelona mit Menschenrechten Ja" Unterschriften gesammelt hatten. Getroffen hat Colau die Entscheidung per Dekret, also ohne Abstimmung.

Die sozialdemokratische PSC im Rathaus will nun allerdings noch in diesem Monat den Vorschlag im Stadtrat einbringen, die Beziehungen mit Israel und die Städtepartnerschaft mit Tel Aviv wieder aufzunehmen.

Eine Annäherung gibt es derweil auch von anderer Seite. Spanischen Medienberichten zufolge hat nun Madrid der Stadt Tel Aviv eine Partnerschaft angeboten. Dies sei eine "wunderbare Gelegenheit", zitiert die spanische Zeitung El Mundo Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida von der konservativen Volkspartei, Tel Aviv und dem ganzen Staat Israel zu zeigen, dass Madrid sich "darüber im Klaren ist, welche die richtige Seite ist", und auch darüber, "dass wir unsere Beziehungen stärken müssen mit einer Demokratie und einem Rechtsstaat wie Israel".

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Großbritanniens und der USA kritisierten die israelische Regierung am Dienstag. Sie seien "zutiefst beunruhigt" über die Ankündigung, "annähernd 10 000 Siedlungseinheiten zu genehmigen sowie einen Prozess zur Normalisierung von neun Außenposten einzuleiten, die bislang nach israelischem Recht als illegal galten", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Maßnahmen seien lediglich dazu geeignet, "die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern zu verschärfen und die Bemühungen um die Aushandlung einer Zweistaatenlösung zu untergraben".

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