Süddeutsche Zeitung

Barcelona:Stich ins Herz der Touristenmetropole

  • Am Donnerstag gegen 17 Uhr raste ein Lieferwagen auf einen Prachtboulevard in Barcelona. 13 Menschen starben bei dem Anschlag.
  • Der oder die Täter haben wohl ganz gezielt eine Touristenmetropole als Anschlagsziel ausgewählt.
  • In den letzten Jahren standen vor allem Belgien, Frankreich und Großbritannien im Visier der Terroristen.
  • Spanien hatte sich nach einem verheerenden Anschlag 2004 weitgehend aus den Kriegen im Nahen Osten herausgehalten und gehofft, so dem Terror zu entgehen.

Von Sebastian Schoepp, München, und Thomas Urban, Barcelona

Die Ramblas von Barcelona an einem Donnerstagnachmittag im August. Die Sonne gibt gerade etwas nach, die Menschen strömen zu Tausenden zum Flanieren auf den Boulevard der katalanischen Hauptstadt, Einheimische und Fremde. Es gibt zur Hauptsaison wohl kaum einen Ort in Europa, an dem sich mehr Menschen versammeln, und kaum einen, an dem sie es sorgloser tun.

Es scheint so, als sei die Bluttat sehr gezielt genau deswegen dort erfolgt. Die breite, von schattenspendenden Platanen gesäumte Straße rast um 16.50 Uhr ein weißer Lieferwagen abwärts, Richtung Hafen. Kurz vor dem zentralen Markt, dem historischen Mercat de la Boqueria, einer berühmten Sehenswürdigkeit, steuert der Fahrer den Transporter geradewegs und mit voller Absicht in eine Menschenmenge. Später am Abend wird der Innenminister der katalanischen Landesregierung, Joaquim Forn, mitteilen, dass dreizehn Menschen ums Leben gekommen sind, an die hundert sind verletzt, viele schwer.

Elf Millionen Touristen werden dieses Jahr Barcelona besuchen

Blutende Menschen liegen am Boden, Leichen am Straßenrand, Augenzeugen berichten von schreienden Menschen, von Schrecken und Chaos. Ein Tourist sagt der dpa, das Fahrzeug sei Zickzack gefahren, "um ein Maximum an Fußgängern zu erwischen." Ein anderer Augenzeuge berichtet: "Ich habe so etwas noch nie erlebt. Es war wie ein Kriegserlebnis. Polizisten mit Maschinengewehren und Gewehren im Anschlag kamen in der Straße auf mich zugerannt." Seine Frau habe in einem Einkaufszentrum festgesessen, weil die Eingänge geschlossen worden seien. "Wir dachten immer, Barcelona ist eine friedliche Stadt."

Das dachten viele. Es war ein gezielter Anschlag mitten ins Herz des spanischen Fremdenverkehrs, der wichtigsten Industrie des Landes. 80 Millionen Gäste werden dieses Jahr erwartet, elf Millionen davon in Barcelona. Vor allem von der Angst vieler Menschen vor Anschlägen in der Türkei oder Ägypten hat Spanien profitiert. Es sieht beinahe so aus, als hätten der oder die Täter genau darauf gesetzt. Sie wollten nicht nur Menschen töten, sondern auch bei denen Angst säen, die vielleicht noch einen Urlaub in Spanien planen. Für das Land ist dieser Anschlag deshalb eine doppelte Katastrophe.

Zunächst kursieren nach der Tat wilde Gerüchte über Verfolgungsjagden, Schießereien und Geiselnahmen in der Altstadt.

Erst am späteren Abend meldet die Polizei offiziell die Festnahme von zwei Verdächtigen. Den Angaben zufolge ist der Fahrer des Transporters aber nicht unter ihnen. Dieser war offenbar direkt nach der Tat aus dem Wagen gesprungen und in das Gewirr der Gassen geflohen. Zudem hat ein flüchtender Autofahrer am Abend in Barcelona einen Beamten angefahren, wie die Polizei mitteilte. Die Ermittler zweifeln aber, ob dieser Vorfall im Zusammenhang mit dem Anschlag steht. Die Terrormiliz Islamischer Staat lässt über ihr Sprachrohr Amak verbreiten, "einer der Soldaten des Islamischen Staats" habe die Tat auf den Ramblas verübt.

Oberbürgermeisterin Ada Colau tritt am Abend vor die Presse. Sie sagt trotzig: "Barcelona war immer eine Stadt offen für alle Fremden, dies soll so bleiben!" Eine Welle der Solidarität brandet an. Bundesregierung, Nato, EU und die Bürgermeister der ebenfalls vom Terror gezeichneten Städte Nizza und Paris, selbst der mit Barcelona so verfeindete Fußballklub Real Madrid, kondolieren sofort. Donald Trump twittert: "Seid zäh und stark, wir lieben Euch!" Spaniens König Felipe VI. verurteilt den Terroranschlag. "Das sind Mörder, einfach Kriminelle, die uns nicht terrorisieren werden", heißt es am Abend aus dem Königspalast in Madrid. "Ganz Spanien ist Barcelona. Die Ramblas werden wieder für alle da sein."

Spanien war lange Jahre vom Terrorismus verschont geblieben. Manche haben angesichts der vielen Anschläge der vergangenen Jahre schon verdrängt, dass eines der blutigsten Attentate in Europa sich dort ereignete, am 11. März 2004. Damals zündeten islamistische Attentäter in Madrid Bomben in Pendlerzügen und töteten 191 Menschen. Das hatte Folgen: Die neue sozialistische Regierung zog ihre Truppen aus dem Irak-Krieg ab. Spanien hat es seitdem vermieden, im Krieg allzu viele Aggressionen auf sich zu ziehen. Man hoffte, aus dem Fadenkreuz der Terroristen entkommen zu sein. Das hat sich am Donnerstag als Irrtum entpuppt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3631761
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.08.2017/bemo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.