Barbara John über NSU-Prozess:"Es muss Vertreter türkischer Medien im Gerichtssaal geben"

Im April wird er beginnen, über die Vergabe der Plätze im NSU-Prozess wird weiterhin heftig diskutiert. Im SZ-Interview spricht Barbara John, Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der Opfer des Neonazi-Terrors, über die Ungeheuerlichkeit der Taten, Raumnot im Gerichtssaal und ihre Hoffnung auf Antworten.

Von Tanjev Schultz

Barbara John, 75 Jahre alt, ist CDU-Politikerin und seit 2012 Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der Opfer des Neonazi-Terrors des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU).

Süddeutsche Zeitung: Am 17. April beginnt in München der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche NSU-Unterstützer. Zahlreiche Angehörige der NSU-Opfer wollen den Prozess verfolgen, viele treten als Nebenkläger auf. Werden Sie selbst auch im Gerichtssaal sein?

Barbara John: Ich komme nach München und hoffe auf einen Platz im Gerichtssaal, denn die Nebenkläger werden nach den ersten Verhandlungstagen viele Fragen haben, beispielsweise wie ihre Anwesenheit bei weiteren Verhandlungstagen organisiert und finanziert werden kann.

Es gibt Unmut darüber, dass der Gerichtssaal zu wenig Platz bietet. Weil türkische Journalisten und Vertreter aus der Türkei keine reservierten Sitze bekommen, kam es bereits zum Eklat. Hätte man einen größeren Saal organisieren sollen?

Aus der Raumnot lässt sich keine Tugend machen mit der Begründung, man wolle keinen Showprozess. Aber der vorhandene Raum lässt sicher noch Platzerweiterungen zu. Es muss Vertreter türkischer Medien im Gerichtssaal geben. Öffentlichkeit ist unverzichtbar. Unverzichtbar ist aber auch, dass das Gericht sich bei den engen Räumlichkeiten auf seine Arbeit konzentrieren kann, ein Urteil zu sprechen über das begangene unfassbare Unrecht.

Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Prozess?

Ich hoffe auf Antworten: Warum sind diese Verbrechen begangen worden? Warum konnten die Mörder und ihre Helfer nicht früher gefasst werden? Was muss besser werden in Deutschland in der Politik, bei den Sicherheitsbehörden, bei uns allen, um Fremdenfeindlichkeit auszurotten?

Von verschiedenen Seiten ist an die Angeklagte Beate Zschäpe appelliert worden, ihr Schweigen zu brechen und zur Aufklärung der NSU-Verbrechen beizutragen. Zschäpes Anwälte haben das als Missachtung des guten Rechts einer Angeklagten zurückgewiesen. Wie sehen Sie das?

Solche Appelle mögen gut gemeint und gleichzeitig naiv sein. Auf keinen Fall sind sie unrechtmäßig. Die Reaktion der Verteidiger ist deshalb hohl und armselig, weil sie den Eindruck erwecken, der Schutz der Täter sei wichtiger als die Aufklärung der Verbrechen und die Gerechtigkeit gegenüber den Opfern.

Muss man nicht doch befürchten, dass der NSU-Prozess zu einem Spektakel wird? Das große öffentliche Interesse, die Vielzahl an Nebenklägern, die parallel weiter tagenden Untersuchungsausschüsse der Parlamente - das alles wird ja nicht spurlos an den Prozessbeteiligten vorbeigehen.

Die Taten waren ungeheuerlich, der Prozess wird das in allen Aspekten deutlich machen und uns allen die Augen öffner, was falsch ist bei uns und was sich ändern muss. Das wird, so hoffe ich, Aufsehen erregen.

Für die Angehörigen der Opfer wird der Prozess, der sich sehr lange hinziehen dürfte, äußerst belastend werden.

Es wird psychologische Hilfen geben an den Verhandlungstagen, um das Gehörte zu reflektieren und zu verarbeiten.

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