Barack Obama und die Schuldenfalle:Das riskante Spiel der Republikaner

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Machtpoker um den Staatshaushalt: Am 2. August droht den USA die Zahlungsunfähigkeit, bis Ende nächster Woche hat US-Präsident Obama beiden Parteien im Kongress Zeit für eine Lösung gegeben. Doch die vierte Verhandlungsrunde im Weißen Haus ist ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Jetzt kommt zusätzlicher Druck aus China. Warum sich die Republikaner kompromisslos geben und welche Szenarien denkbar sind.

Kathrin Haimerl

Es ist bereits die vierte Verhandlungsrunde, zu der sich Spitzenpolitiker der Republikaner und der Demokraten im Weißen Haus getroffen haben: Auf dem ovalen Mahagoni-Tisch im Cabinet Room stehen Kaffeetassen, Nancy Pelosi, die Minderheitsführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, sticht als einzige Frau mit ihrem pinkem Blazer aus der Herrenrunde hervor. Für die Pressefotografen ringen sich die Teilnehmer ein Lächeln ab. Es wirkt gequält. Denn was hier wie ein nettes Kaffeekränzchen aussieht, ist eine knallharte Verhandlungsrunde. Es geht um nichts Geringeres als die Zahlungsfähigkeit der Weltmacht USA, um die hier ideologische Grabenkämpfe gefochten werden.

Unter Druck: Spitzenpolitiker der Republikaner und der Demokraten bei ihrem Krisentreffen im Weißen Haus. Von links: Eric Cantor, Nancy Pelosi, John Boehner, US-Präsident Barack Obama, Harry Reid (demokratischer Mehrheitsführer im Senat) und Mitch McConnell. (Foto: dpa)

Seit Sonntag treffen sich Vertreter beider Parteien immer Nachmittags zum täglichen Schuldengipfel. Nach dem Willen von US-Präsident Barack Obama soll das so lange weitergehen, bis ein Kompromiss gefunden ist. Doch eine Annäherung ist nicht in Sicht - im Gegenteil: Beim vierten Treffen am Mittwochabend soll es zu erheblichen Spannungen zwischen Obama und dem republikanischen Hardliner Eric Cantor gekommen sein. Der Fernsehsender CNN berichtet, der Präsident habe schließlich entnervt den Raum verlassen.

Zusätzlicher Druck kommt nun von außen: Nach Standard & Poor's droht mit Moody's die nächste Ratingagentur mit dem Entzug der Bonitäts-Bestnote "AAA" für US-Staatsanleihen. Die chinesische Ratingagentur Dadong stellt die Kreditwürdigkeit der USA schon seit November in Frage: Die Chinesen senkten ihre Note von "AA" auf "A+". China ist der größte Gläubiger der USA - und zeigt sich angesichts des festgefahrenen Streits in Washington um die Anhebung der Schuldenobergrenze beunruhigt: "Wir hoffen, dass die US-Regierung verantwortungsvolle Maßnahmen trifft, um die Interessen der Investoren zu wahren", sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums in Peking Reuters zufolge.

Als wäre der Druck nicht schon groß genug: Sollte Obama bei den Gesprächen im Weißen Haus keine Einigung erzielen, droht Washington am 2. August die Zahlungsunfähigkeit. Obama braucht die Zustimmung des Kongresses für die Anhebung der Schuldengrenze, die bislang bei 14,3 Billionen Dollar (10 Billionen Euro) liegt. Diese Grenze ist bereits erreicht. Die US-Regierung schindet nur noch durch Verschiebungen im Haushalt Zeit.

Obama selbst setzt in den Verhandlungen auf eine "große Übereinkunft", die sowohl Ausgabenkürzungen als auch höhere Steuern für Wohlhabende beinhaltet. In den kommenden zehn Jahren sollen so vier Billionen Dollar eingespart werden. Teil des Vorschlags sind auch Einschnitte bei der staatlichen Krankenkasse Medicare: Obama will die Altersgrenze für die Leistungen, die Senioren beziehen können, von 65 auf 67 Jahre anheben. Einen Teil der Haushaltsprobleme will der US-Präsident durch höhere Staatseinnahmen lösen. Und genau hier schalten die Republikaner auf stur.

Zwar versuchen die Republikaner, ihren Wählern vor allem eine gemeinsame Botschaft zu vermitteln: Nein zu Steuererhöhungen. Nur sprechen sie politischen Kommentatoren zufolge nicht mit einer Stimme: "Es gibt zu viele republikanische Sprecher mit zu vielen Botschaften, die sich oft gegenseitig untergraben, während die Nation kurz vor der Staatspleite steht", schreibt etwa das Online-Magazin Politico. Eine Auswahl:

[] John Boehner, republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses: Eigentlich ist er die Nummer eins der Republikaner und als solcher führte er auch maßgeblich die Gespräche mit Obama. Zunächst sah es so aus, als könnte sich Boehner mit dem US-Präsidenten auf eine große Lösung einigen. Doch dann machte Boehner einen Rückzieher, politische Beobachter vermuten dahinter den Druck des seit Herbst 2010 erstarkten Tea-Party-Flügels innerhalb der Grand Old Party. Die Abgeordnete Michele Bachmann, Bewerberin um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, teilte mit, sie werde jeden Kompromiss ablehnen, den Boehner mit Obama aushandle. Boehner selbst gilt als Vertreter des konservativen Teils der Partei, der aufgeschlossen gegenüber Kompromissen ist.

[] Eric Cantor, republikanischer Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus: Er ist inzwischen zu einer Art Schlüsselfigur im Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze geworden. Cantor lehnt es kategorisch ab, einen Teil der Haushaltsprobleme durch Steuererhöhungen für die Reichen zu lösen. Als sich Boehner vorsichtig kompromissbereit zeigte, war es Cantor, der dies verhinderte. Er beharrt darauf, das Haushaltsdefizit allein durch Sparmaßnahmen auszugleichen. Damit vertritt Cantor die Linie der Tea-Party-Bewegung. Viele der republikanischen Abgeordneten, die 2010 neu gewählt wurden, sind mit dem Versprechen angetreten, in Fundamentalopposition zu Steuererhöhungen zu treten.

[] Mitch McConnell, republikanischer Minderheitsführer im Senat: Er meldete sich mit einer vernichtenden Botschaft zu Wort. Eine Einigung bei den Gesprächen sei nicht mehr in Sicht. Deshalb brachte McConnell einen neuen Vorschlag ins Spiel, der die Anhebung der Schuldenobergrenze von dem Streit um die Reduzierung der Staatsverschuldung entkoppeln soll. Obama solle bis zum Ende seiner Amtszeit am 20. Januar 2013 die Vollmacht erteilt werden, das Schuldenlimit von derzeit 14,3 Billionen Dollar schrittweise anheben zu können. Das politische Kalkül hinter McConnells Vorschlag: Die Republikaner könnten die politische Verantwortung so vollständig auf Obama abwälzen. Der Vorschlag stößt aber selbst in den eigenen Reihen auf Kritik: Newt Gingrich, einer der Bewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, warf McConnell "Betrug an den amerikanischen Wählern" vor.

Bis Ende nächster Woche hat Obama beiden Lagern Zeit gegeben, um über eine Lösung zu verhandeln. Der Präsident hat den 22. Juli als Deadline angesetzt, damit noch genügend Zeit bleibt, die Vorschläge in Gesetzesform zu gießen und durch beide Kammern des Kongresses zu bringen.

Welche Szenarien denkbar sind:

Eigentlich ist er die Nummer eins der Republikaner in den Verhandlungen: John Boehner, der republikanische Sprecher im Repräsentantenhaus - hier im Bild mit Präsident Obama. Doch als er sich bei den Verhandlungen kompromissbereit zeigte, fuhr ihm Eric Cantor dazwischen. (Foto: AP)

[] Die Parteien einigen sich in letzter Sekunde. Obama setzt sich mit seiner "großen Lösung" durch, beide Lager machen Zugeständnisse. Die Republikaner müssten höhere Staatseinnahmen akzeptieren, anstelle von Steuererhöhungen könnte dies beispielsweise auch durch die Streichung von Abschreibungsmöglichkeiten erzielt werden. Im Gegenzug müssten die Demokraten die Kürzungen bei der Gesundheitsversorgung für Senioren hinnehmen.

[] McConnells Vorschlag setzt sich durch. In einem komplexen Verfahren könnte Obama dann bis zum Herbst 2012 die Staatsverschuldung in drei Schritten um insgesamt 2,5 Billionen Dollar erhöhen. Den ersten Budgetvorschlag mit einer Erhöhung um 700 Milliarden Dollar müsste Obama umgehend einreichen. Die Republikaner würden zwar im Kongress die Erhöhung der Schuldenobergrenze weiterhin ablehnen, doch könnte Obama dies mit einem Veto abschmettern, da den Republikanern die Zweidrittelmehrheit fehlt, um wiederum das präsidentielle Veto überstimmen zu können. Freilich müssten sich dafür die Demokraten im Senat geschlossen hinter Obamas Budgetvorschläge stellen.

[] Die Verhandlungen scheitern. Können sich die Verhandlungsparteien nicht einigen, droht nach Berechnungen von US-Finanzminister Timothy Geithner am 2. August der Shutdown. Die Beamten werden nach Hause geschickt, die Behörden geschlossen. Die Regierung kann dann die Zahlungen an Pensionisten, Veteranen und andere Empfänger nicht mehr leisten. Geithner warnte vor "katastrophalen Folgen" für die amerikanische Wirtschaft und einer zweiten, schweren Rezession, was wiederum Schockwellen an den Finanzmärkten auslösen würde. Der IWF warnte bereits vor den globalen Konsequenzen, sollten die USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen können.

© sueddeutsche.de/Reuters/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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