Barack Obama und Deutschland:Ein wenig Applaus, das war's

Die Deutschen sind dabei, eine Gelegenheit zu verpassen - sie finden US-Präsident Obama zwar gut, sind aber nicht bereit, ihm zu helfen.

Thomas Kleine-Brockhoff

Seit seinem Amtsantritt krempelt der amerikanische Präsident die Außenpolitik um. Barack Obama geht auf Russland und Iran zu, will neuerlich Frieden im Nahen Osten stiften, kümmert sich um den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan, sagt die Stationierung von Abwehrraketen in Mitteleuropa ab und verschiebt die nächste Ost-Erweiterung der Nato.

Er entdeckt die Abrüstungspolitik neu, den Multilateralismus, Europa und die Vereinten Nationen. Er befreit Amerika aus der Rolle des Klima-Ignoranten und will Guantanamo schließen. Diese Politik klingt wie in Berlin erdacht. Bis zum Komma deckt sie sich mit deutschen Präferenzen. Bundeskanzlerin Merkel erklärte deshalb bei ihrem ersten Besuch im Washington Obamas, der Erfolg von dessen Außenpolitik liege im "elementaren Interesse" der Bundesrepublik.

Zerreden, bis nur noch Peinlichkeit bleibt

Fragt sich bloß, warum aus Berlin seit neun Monaten nicht mehr als ein bisschen Applaus für Obamas Politik zu hören ist. Die deutsche Außenpolitik hat als Reaktion auf die Wende in Washington nichts getan, was sie nicht schon seit langem getan hätte. Nichts, um die Gunst der Stunde zu nutzen.

Das kleine Symbol eines deutsch-amerikanischen Neubeginns, die Aufnahme von ein paar Guantanamo-Häftlingen, wurde so lange zerredet, bis nur noch Peinlichkeit zurückblieb. So buchstabieren Minimalisten Partnerschaft. Dass Berlin dem netten Obama, dem Friedensnobelpreisträger, keine Morgengabe darbringt, muss niemanden erregen - dass es eine Chance verpasst, schon.

Nicht ohne Grund reiste der Präsident in den Monaten nach seinem Amtsantritt dreimal nach Europa, sein Vize Joe Biden weitere drei Mal. Beide wollen Europa von der Ernsthaftigkeit ihrer Kehrtwende überzeugen und die alten Verbündeten auf dem Kontinent zu neuen Partnern machen. Sie suchen jenes Land und jenen Regierungschef, der in Europa transatlantische Führung übernimmt.

"Partnership in leadership" - Führungspartnerschaft!, hätte George Bush der Ältere das genannt, was heute neuerlich möglich wäre. Diese Gelegenheit bietet sich nun einer neuen Bundesregierung. Den politisch entscheidenden Moment nicht zu verpassen, ist ihre erste Aufgabe.

In Zeiten des Minimalismus lohnt sich die Selbstvergewisserung, was die Partnerschaft mit Amerika Deutschland weiterhin bringt: Sie schafft Sicherheit, wirkt wie ein Kraftverstärker für eigene Politik, macht Deutschlands außenpolitische Führungsrolle in Europa für andere akzeptabel und formt so den Kern für den globalen Führungsanspruch des Westens.

Schmidt, der Meister der Einflüsterung

Unter diesen vier Begründungen ist die Sicherheitspartnerschaft in der Nato weiterhin am wichtigsten. Ein Land, das so wenig wie Luxemburg - rund 1,3 Prozent des Bruttosozialprodukts - für die eigene Verteidigung ausgibt, wird eine militärische Allianz nicht geringschätzen.

Amerika bleibt Deutschlands Lebensversicherung - gegen die Muskelspiele eines unter post-imperialen Schmerzen leidenden Russlands, gegen iranische Atomraketen, gegen Terroristen mit Massenvernichtungswaffen. Was Deutschland nicht alleine schafft, kann im Gespann mit Amerika besser gelingen.

Unter den Kanzlern war Helmut Schmidt der Meister der Einflüsterung. Er überzeugte Amerika von deutschen Ideen, beanspruchte kein Copyright und überließ Amerika in geschickter Selbstbescheidung die Führung. Diese Kunst, Amerika als Hebel für deutsche Interessen zu nutzen, ist mit Gerhard Schröder und unter manch nationalem Gedröhn vom "Erwachsenwerden" verlorengegangen.

Die Matrix der Beziehungen

Dabei haben deutsch-amerikanische Initiativen in Europa besonders unter den kleineren Ländern größere Chancen, Zustimmung zu finden. Agiert Deutschland allein, stößt es in Europa garantiert auf Misstrauen. Und je mehr Europa und Amerika als Tandem durch die Weltpolitik fahren, desto glaubwürdiger bleibt der Führungsanspruch des Westens und seiner Institutionen, gerade wenn neue Akteure auf die Weltbühne drängen und integriert werden müssen.

Wer diese Matrix der Beziehungen zu Amerika auf die Partnerschaft mit der Regierung Obama anwendet, erkennt schnell, dass Deutschland mit mäßigem Aufwand viel gewinnen kann. Beispiel Iran: Obamas Versuch, das amerikanisch-iranische Schweigen nach 30 Jahren zu brechen, ist Deutschlands größte Chance, die künftige Bedrohung durch Irans atomare Mittelstreckenwaffen vielleicht doch noch abzuwenden.

Anders als Amerika hat Deutschland Erfahrung in Verhandlungen mit den religiösen Autokraten von Teheran. Die Bundesregierung kann auch US-Außenministerin Hillary Clinton dabei helfen, ein regionales Sicherheitssystem zu bauen, das Atomwaffen auch aus iranischer Sicht am Ende überflüssig macht.

Beispiel Afghanistan und Pakistan: Obamas zivil-militärisches Gesamtkonzept ist Deutschlands größte Chance, seinen eigenen Einsatz im Norden Afghanistan erfolgreich zu Ende zu bringen. Deutschland müsste tun, was es seit Jahren predigt: mehr in Wirtschafts- und Entwicklungshilfe, in innere Sicherheit sowie zivil-militärische Zusammenarbeit investieren. Und eine neue, aktive Pakistan-Politik im Zusammenwirken mit dem US-Sondergesandten Richard Holbrooke wäre ebenfalls notwendig, um den eigenen Afghanistan-Einsatz zu stützen.

Beispiel Russland: Obamas Abrüstungsinitiative ist Deutschlands größte Chance, die eigene Nähe zu Russland in eine gemeinsame westliche Russland-Politik einzubringen. Dass gegenwärtig nur Russland und Amerika verhandeln, und auch nur über Interkontinentalwaffen, muss kein Hindernis sein.

In den Herzen der deutschen Bürger

Schon immer waren bilaterale Abrüstungsverhandlungen ein Katalysator für multilaterale Annäherung. Hier kann Deutschland seine Erfahrungen und Ideen einbringen - solange Fragen von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit nicht ausgespart bleiben. Am Ende kann diese Politik helfen, auch innereuropäische Brüche zu kitten.

Vielleicht muss Deutschland neu lernen, an der Seite Amerikas eigene Interessen zu vertreten. Das ist nicht erstaunlich nach all den Jahren, in denen sich deutsche Politiker reihum von Amerika distanzierten. George W. Bush machte es niemandem leicht, an klassischer deutscher Außenpolitik festzuhalten. Wer es getan hätte, wäre vom Wähler abgestraft worden.

Doch Obama hat die Herzen der Deutschen erobert. Nach einer Umfrage des German Marshall Fund unterstützen 92 Prozent der Bundesbürger seine Außenpolitik.

Da kann es für die neue Bundesregierung kein großes Risiko sein, zusammen mit ihm Politik zu machen

Thomas Kleine-Brockhoff leitet die Politische Abteilung des German Marshall Fund of the United States in Washington.

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