Bankgeheimnis und Datenklau:Rettet die Schweiz!

Nervös diskutieren die Eidgenossen, wie die Schweiz die Reste ihres Bankgeheimnisses schützen kann. Zwischen trotzigen Tönen dringen moderate Stimmen auf eine Verständigung mit Deutschland - und fürchten weitere Imageschäden des Finanzstandortes Schweiz.

Oliver Das Gupta

Bundesrat Hans-Rudolf Merz wollte die heikle Causa noch im Januar vom Tisch haben. Mitte letzter Woche verkündete der Schweizer Finanzminister, der leidige Steuerstreit mit Frankreich sei erledigt.

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In der Steuer-Bredouille: Bundesrat Hans-Rudolf Merz, der Finanzminister der Schweiz

(Foto: Foto: Reuters)

Nun, keine sieben Tage später, sieht sich Freidemokrat Merz inmitten einer weiteren Steuer-Bredouille. Diesmal - wieder mal - mit Deutschland.

Berlin will gestohlene 1500 Datensätze mutmaßlicher Steuersünder aus dubioser Quelle kaufen, die viel Geld in der Schweiz bunkern. So hat es der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble seinem Amtskollegen Merz telefonisch erklärt.

"Restrisiko Mensch"

Während die Banken in Zürich, Lugano und Genf fieberhaft nach Datenlecks suchen und sich bei Politikern wie Kommentatoren über die teutonische "Hehlerei" empören, entwickelt sich in der Schweiz eine andere Diskussion.

Quo vadis, Helvetia?, lautet die Schlüsselfrage. Wie kann der Finanzstandort Schweiz die Diskretion sichern, die er den Reichen verspricht?

Unnachgiebigkeit und Härte zeigen, tönt es, die Strafen für Datendiebe seien viel zu milde, zitiert der Tages-Anzeiger einen Unternehmensberater, die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) spricht in ihrer Online-Ausgabe ernüchtert vom "Restrisiko Mensch" und diskutiert die Sicherheitslecks bei Bankdaten.

Toni Brunner, der Chef der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) fordert Bundesrat Merz dazu auf, die Verhandlungen des Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den Deutschen gegebenenfalls abzubrechen, die Gespräche seien ein "Sicherheitsrisiko", die SVP wolle ein Plebiszit, fügte Rechtsaußen Brunner hinzu.

Ein Trumpf, der keiner ist

Auch die NZZ legt Merz eine "Sistierung", ein Aussetzen, der DBA-Verhandlungen nahe, dies sei, so pflichtet das Boulevardblatt Blick bei, Merz' "einziger Trumpf".

Beim genauen Hinsehen ist es nicht einmal das.

Dass es überhaupt Gespräche über ein solches Abkommen gibt, ist eine Folge des letzten Clinches zwischen Bern und Berlin, der nicht einmal ein Jahr zurückliegt. Für die Öffentlichkeit hieß der Sieger Peer Steinbrück, in Wahrheit war es der Druck der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, welcher die Schweizer in die Knie zwang.

Die OECD war es, die die Schweiz auf eine "graue" Steueroasen-Liste gesetzt hatte. Der Deal lautete: Um davon runterzukommen muss Bern zwölf Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Standards schließen; eins davon ist das DBA mit Berlin.

In diesem Wissen forcierte der damalige Bundesfinanzminister Steinbrück in jenen Tagen den Druck auf die Schweiz, indem er gegen die diskreten Eidgenossen polterte. Er wolle mit der "Kavallerie" gegen die helvetischen "Indianer" vorgehen, ätzte Steinbrück. Die Schweizer schäumten über den forschen Sozialdemokraten - und knickten vor der OECD ein.

Bundesrat Merz sah sich genötigt, die OECD-Standards zu übernehmen, wonach sich die Partner zur gegenseitigen Amtshilfe bei Steuerhinterziehung verpflichten und Informationen austauschen.

"Totaler Frontzusammenbruch"

Kaum war dieser Streit beigelegt, folgte weiteres Ungemach: Frankreich hatte delikate Informationen über Landsleute mit Schweizer Konto, die 3000 Kundendaten fanden ihren Weg ähnlich nach Paris, wie nun die 1500 Sätze nach Berlin.

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Reiche kamen bislang nicht nur wegen des Alpenpanoramas in die Schweiz - aber bleibt das auch so? Diese Aufnahme entstand am Ufer des Vierwaldstättersees

(Foto: Foto: AP)

Es folgten die Italiener, die Landsleute beim Übertritt in die Schweiz fotografierten, später führten sie Razzien bei eidgenössischen Bankfilialen in Italien durch. Etliche Steuersünder bekamen es mit der Angst zu tun - und nutzten eilig eine Amnestie, die 80 Millarden Euro in die Staatskasse Roms spülte.

Bretterhütte statt Festung

Und da wäre noch Washington, das die helvetische Großbank UBS dazu nötigte, die Daten amerikanischer Kunden zu offenbaren - ein großes Loch im Schweizer Bankgeheimnis.

Vorbei sind die Zeiten, in denen der Fluss unzähliger Milliarden in das Alpenland nicht zu enden schien. Von allen Seiten drücken nun die um die Steuereinnahmen geprellten Staaten auf die Schweiz.

"Die vermeintlich einsturzsichere Alpengranitfestung", kommentiert die Zeitung 20 Minuten, sie habe sich zur "lotternden Bretterhütte" entwickelt. Fassungslos sei man über den "totalen Frontzusammenbruch". Der helvetische Schlachtruf, keine Amtshilfe leisten zu wollen, ist für 20 Minuten ein zahnloser Tiger, ein "überholtes Ritual".

Retten, was zu retten ist

Genau dies dämmert manchen Eidgenossen wie Merz, der sich bewusst zurückhält - der Minister weiß zu gut, was der Lärm mit den USA auslöste: einen Exodus amerikanischer Anleger. Innerhalb von 18 Monaten floßen 124 Milliarden Euro aus der UBS ab, oft nach Singapur und in andere asiatische Destinationen.

Schadensbegrenzung ist also angesagt: Nicht weiter das Image des lädierten Finanzstandortes schädigen, Abnutzungskämpfe vermeiden, kurzum: Retten, was zu retten ist.

Dementsprechend milde Töne kommen von den Schweizer Sozialdemokraten (SP). Die Affäre zeige, "in welch unmöglicher Situation sich die Schweiz mit ihrer Differenzierung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug" befinde, heißt es selbstkritisch. Man brauche endlich eine deutliche Absage an Steuerhinterzieher.

Selbst in der rechtspopulistischen SVP scheint man auf eine Verständigung mit den Deutschen zu setzen. SVP-Ständerat Maximilian Reimann kündigte ein Treffen von Schweizer Parlamentariern und Bundestagsabgeordneten an, freilich ohne den motzenden Unterton zu verlieren: "Diese Hehlerei mit Deutschland beschäftigt uns."

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