Bangladesch und Indien:Muslime gegen Hindus

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Anti-Indien-Demonstration am vergangenen Sonntag vor dem indischen Hochkommissariat in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. (Foto: Mahmud Hossain Opu/AP)

In Bangladesch kommt es vermehrt zu Übergriffen auf die Hindu-Minderheit. Interimsregierungschef Yunus bezeichnet die Berichte als übertrieben – grundlos sind sie aber nicht.

Von David Pfeifer, Bangkok

Bangladesch und Indien, das ist eine komplizierte Beziehung. Derzeit sogar so kompliziert, dass der indische Außenminister Vikram Misri am vergangenen Wochenende in diplomatischer Mission nach Dhaka reiste, um die Spannungen abzubauen. Muhammad Yunus, Chef der Übergangsregierung von Bangladesch, bat wiederum seinen indischen Besucher, die „Wolken zu vertreiben, die in letzter Zeit einen Schatten auf die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn geworfen haben“, wie es in einer Erklärung seines Büros hieß.

Seit im August die damalige Premierministerin Sheikh Hasina aus Bangladesch verjagt wurde und ausgerechnet in Indien Asyl fand, hat sich die zwischenstaatliche Atmosphäre tatsächlich massiv verdüstert. Einerseits will die Führung in Bangladesch Hasina den Prozess machen und drängt auf ihre Auslieferung. Andererseits hat sich die Regierung in Delhi nach Hasinas Flucht schon mehrmals über gezielte Angriffe auf Hindu-Minderheiten im mehrheitlich muslimischen Bangladesch beschwert. Yunus bezeichnete die Berichte während Misris Besuch als übertrieben. Grundlos sind sie aber nicht.

Die Abhängigkeit von Indien ist groß, die Spannungen zwischen den Ländern sind es auch

Sheikh Hasina hatte sich auch deswegen so lange im Amt gehalten, weil sie stets gute Beziehungen nach Delhi pflegte. Unter anderem stilisierte sich die Autokratin, die Oppositionelle einsperren und umbringen ließ, zur Garantin gegen das Erstarken eines radikalen Islamismus in ihrem Land. Das sicherte ihr das Wohlwollen der indischen Regierung, die seit mehr als einem Jahrzehnt mit einer hindunationalistischen Politik die Mehrheit der Inder hinter sich versammelt – auf Kosten der muslimischen Minderheit.

Tatsächlich bewirkte Hasinas Sturz nicht nur, dass in Bangladesch diverse radikalislamische Gruppen seit Monaten erstarken, sondern dass es dort auch zu Ausschreitungen gegen die Hindu-Minderheit kommt, die aufseiten der verhassten Premierministerin stand. Die indischen Medien berichten viel über die an Hindus verübte Gewalt, und das in einem aufgeregten Ton, der in Bangladesch übel ankommt. Dabei ist es gar nicht leicht auseinanderzuhalten, ob die Hindus wegen ihrer Religionszugehörigkeit angegriffen werden oder wegen ihrer Unterstützung für das gestürzte Gewaltregime.

Um die Spannungen zwischen den Nachbarn zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Landkarte. Bangladesch gehörte bis zu einem blutigen Abtrennungskrieg im Jahr 1971 zu Pakistan – die Aufspaltung war eine der verrückten Ideen der Briten, die bei ihrem Abzug die einstige Kronkolonie in wirtschaftlich gleich starke Teile für Hindus und für Muslime trennen wollten. Bangladesch ist von Indien nahezu umschlossen, nur eine kleine Grenze verbindet es mit Myanmar, wo seit 2021 Bürgerkrieg herrscht. Auch vorher schon gab es massive Migrationsbewegungen, hauptsächlich der muslimischen Rohingya, die aus Myanmar in das ebenfalls arme Bangladesch flüchteten.

Die geografische Lage und die Trennung von Pakistan haben Bangladesch in eine große wirtschaftliche Abhängigkeit von Indien gebracht. Allein schon durch die großen Flüsse wie den Ganges ist man existenziell miteinander verbunden. Sie alle führen aus dem Himalaja bis an den Golf von Bengalen. Als es kurz nach dem Sturz von Hasina zu verheerenden Überschwemmungen in Bangladesch kam, machten viele die indische Regierung dafür verantwortlich, weil die ihre Stauwehre geöffnet hatte, ohne den kleinen Nachbarn zu warnen. Neben dem wirtschaftlichen Schaden hat Bangladesch nun mit einer Rekordwelle von Denguefieber-Erkrankungen zu kämpfen.

Erstarkt in Bangladesch ein radikaler Islamismus?

Während man in Delhi fürchtet, dass Bangladesch zu einem Nest für radikalen Islamismus werden könnte, ist man in Dhaka überzeugt, dass Indien Bangladesch als Vasallenstaat ansieht. Tatsächlich bereiten die erstarkenden muslimischen Gruppen der Übergangsregierung von Muhammad Yunus Kummer. Die neue Führung befindet sich in einem Wettlauf mit der Zeit. Einerseits will sie den Staatsapparat von Mitgliedern der Awami-Liga säubern, der Partei von Sheikh Hasina. Andererseits muss der Betrieb aufrechterhalten und die Wirtschaft angekurbelt werden. Derweil wird auf den Straßen von Dhaka, wo Hasinas Sturz im Sommer erzwungen worden war, schon wieder demonstriert.

Eigentlich hatte man gehofft, dass sich die Lage im Land verbessert, auch was die Rede- und Meinungsfreiheit angeht. Doch nun werden liberale Medien wie Daily Star und Prothom Alo angegriffen – weil sie angeblich staatsfeindliche Propaganda verbreiten. „Reporter ohne Grenzen“ berichtete schon im November, dass das Informationsministerium 59 Journalisten die Akkreditierung entzogen hat, weil es sie für Unterstützer der alten Regierung hält. Die Organisation forderte die Übergangsregierung auf, „den Entzug von Presseausweisen nicht als Strafmaßnahme einzusetzen“.

Die Spannungen zwischen den religiösen Gruppen nehmen derweil täglich zu. Vergangene Woche verhaftete die Polizei im indischen Bundesstaat Tripura einige Mitglieder einer Hindu-Gemeinschaft, die angeklagt sind, in das Konsulat von Bangladesch eingebrochen zu sein und die Einrichtung beschädigt zu haben. Bereits in der Woche davor war Chinmoy Krishna Das, ein prominenter Hindu-Führer in Bangladesch, auf dem Flughafen von Dhaka unter anderem wegen des Vorwurfs der Aufwiegelung verhaftet worden. Das löste in Dhaka und der südlichen Hafenstadt Chittagong Proteste aus, bei denen Anhänger von Das mit Sicherheitskräften zusammenstießen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. All das schadet nicht nur den Beziehungen zu Indien, sondern mehr noch der Übergangsregierung, auf die man noch im August so große Hoffnungen gesetzt hat.

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