Bamf als Arbeitgeber:Plädoyer für Wertschätzung

Fingerabdruck

Vom Fingerabdruck bis zum Asylentscheid: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge war von der Flüchtlingswelle völlig überfordert.

(Foto: Peter Endig/dpa)

Ein Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge fordert vor Gericht mehr Gehalt. Ein möglicher Präzedenzfall.

Von Bernd Kastner, Regensburg

Jetzt mag sich Peter R. nicht mehr zurückhalten. Eine Stunde haben sie geredet, über Personalbedarf, Tarifverträge und Stufenzuordnung, sie drehen sich im Kreis. Und so bricht es aus ihm heraus: "Ich bin kein Streithansel." Es solle kein falscher Eindruck entstehen, lässt er den Richter wissen und die Juristin am Nebentisch. Sie ist vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entsandt ins Arbeitsgericht Regensburg, wo ein scheinbar alltäglicher Prozess ein Politikum erahnen lässt: Wie geht das Bamf mit den Mitarbeitern um, die es auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise als Anhörer und Entscheider engagiert hat?

Peter R. ist einer von ihnen. Seit April 2016 arbeitet er in der Regensburger Bamf-Dependance, und was er dort erlebt hat, stinkt ihm. Also redet er Klartext, öffentlich. "Hoch unangenehm" fühle er sich auf dem Platz des Klägers, der seinen Arbeitgeber per Gericht zwingen will, ihm einige Hundert Euro mehr Gehalt zu zahlen. Um das Geld gehe es ihm aber gar nicht, sagte er, sondern um "Wertschätzung".

R. ist 59 Jahre alt und wurde auf zwei Jahre befristet eingestellt. Man hat ihn in die unterste Erfahrungsstufe eingruppiert, in der auch Berufsanfänger landen. Dabei hat er eine beachtliche Vita vorzuweisen. Er hat als Finanzbeamter gearbeitet, ist geprüfter Steuerberater, war Chef eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens und einer großen Baufirma und zuletzt selbständiger Unternehmensberater. Zum Bamf sei er gegangen, weil er nach all den Managerjahren etwas für die Gesellschaft tun wollte, und ja, die Arbeit mit und für Flüchtlinge mache ihm große Freude. Seine Erfahrungen seien ihm dabei sehr hilfreich, das Führen konflikthafter Gespräche, seine Zeit im arabischen Raum, sein Wissen um das Innenleben von Behörden.

Das Bamf hat R. mit einem Bruttogehalt von gut 3300 Euro eingestellt, höher gehen will es nicht. Um die juristische Argumentation des Bundesamtes nachzuvollziehen, muss man ins Tarifrecht eintauchen. Dort besagt eine Klausel, als "förderliche Zeit", die zu einer höheren Gehaltsstufe führt, sei eine Berufserfahrung nur unter einer Voraussetzung zu werten: Die Einstellung des Mitarbeiters muss nötig gewesen sein, um den Personalbedarf zu decken. Nun könnte man sagen, dass eine Neueinstellung immer dazu dient, den Bedarf an Mitarbeitern zu decken. Im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes aber bedeutet die Klausel: Es muss entweder zu wenige Bewerber gegeben haben oder zu gering Qualifizierte. Und dazu erklärt das Bamf: Wir waren nicht auf R. angewiesen, weil es einen "massiven Bewerberüberhang" gegeben habe. Doch R. legt eine Statistik der Bundesregierung vor, wonach in Regensburg im Oktober 2016 nur gut die Hälfte der 46 Stellen besetzt war. Dagegen argumentiert das Bamf, man betrachte keinen Standort isoliert, sondern die ganze Region. Aber auch das wirft Fragen auf, denn in ganz Bayern waren im vergangenen September fast zwei Dutzend Stellen unbesetzt. Warum das, wenn es doch so übermäßig viele Bewerber gegeben habe? Der Richter zweifelt an der Argumentation des Bamf und gibt ihm als Hausaufgabe, seine Stellenpolitik besser zu erklären.

Nach langem Paragrafendiskurs platzt Peter R. der Kragen. Bisweilen klingt er pathetisch: "Ich bin gekommen, um meinem Land zu helfen." Er habe in der "Notlage" das Bamf unterstützen wollen. Und ja, er habe Verständnis, dass man ihm zu seiner Einstellung nicht habe sagen können, wie viel er verdiene; die Bamf-Personaler seien ja auch überlastet gewesen. "Aber wie ich dann behandelt worden bin, das ist nicht in Ordnung." Erst nach Wochen habe er erfahren, dass man ihn wie einen Berufsanfänger einstufe, das lasse er sich nicht bieten. "Das ist eine Frage der Wertschätzung, und diese Wertschätzung vermisse ich."

Die Behörde hat Tausende neu eingestellt. Viele fühlten sich ausgenutzt, sagt Peter R.

Wie er seien viele Kollegen verärgert über die Behördenführung, sagt er, die meisten aber trauten sich nicht, den Mund aufzumachen, weil sie befristete Verträge haben und deshalb Angst um ihren Job. Er selbst habe keine Sorge, kommendes Jahr ohne Arbeit dazustehen, er sei den beruflichen Wechsel gewohnt. Den Gerichtsstreit habe er nicht gewollt, von Anfang an habe er Kompromissbereitschaft signalisiert, das Bamf sei aber nicht darauf eingegangen: "Mit mir ist nicht gesprochen worden." Er und viele Kollegen hätten wie selbstverständlich Überstunden geleistet, seien an Samstagen ins Büro gekommen: "Wir fühlen uns ausgenutzt."

Nach dieser öffentlichen Anklage versucht die Bamf-Juristin, ein wenig zu beschwichtigen: "Ich kann Ihren Unmut verstehen", sagt sie zu R., es sei "sicher nicht alles super gelaufen". Und ja, er habe eine "hervorragende Vita".

Das Bamf ist seit Beginn der Flüchtlingswelle um Tausende Mitarbeiter gewachsen, der schnelle Personalzuwachs dürfte einzigartig für eine Bundesbehörde sein. Seither gab es intern aber auch immer wieder juristischen Ärger. Oft mit dem Personalrat, der bei vielen Neueinstellungen übergangen wurde; und oft kam die Bamf-Führung nicht gut weg bei Gericht. Anwalt der Personalvertreter ist Rainer Roth, der auch Peter R. vertritt. Sollten die beiden sich durchsetzen, könnte dies Präzedenzcharakter haben. Andere Neueingestellte mit relevanter Berufserfahrung könnten sich auf das Verfahren berufen. Laut Bundesregierung hatte das Bamf im April knapp 2100 Mitarbeiter eingestuft, lediglich 37 landeten nicht auf der untersten Stufe. Darin könnte ein enormes Klagepotenzial liegen. Das Urteil in der Causa Peter R. ist für diesen Herbst angekündigt.

Der Richter hat R. in seiner Suada nicht unterbrochen. Es sei wichtig, auch einmal Luft abzulassen, sagt er. Und der Bamf-Juristin gibt er mit auf den Weg zurück in die Zentrale: "Das Plädoyer haben Sie gehört." Das Plädoyer des Mitarbeiters Peter R. für mehr Wertschätzung.

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