Süddeutsche Zeitung

Brandbrief des Bamf-Personalrats:"Inkompetenz und Willkür"

Der Personalrat des Asylbundesamts schreibt einen Brandbrief an Präsidentin Jutta Cordt, in dem er heftige Kritik an internen Abläufen formuliert und die Mitarbeiter in Schutz nimmt. Für die Misere sei die Führung verantwortlich.

Von Bernd Kastner

Die öffentliche Aufregung über die Causa Bremen und die mutmaßlichen Manipulationen von Asylbescheiden im Asylbundesamt (Bamf) ist das eine; das andere ist die Unruhe in der Belegschaft. Innerhalb des Bamf mit seinen gut 7000 Beschäftigten spitzt sich die Konfrontation zu, es ist eine zwischen unten und oben.

Am Montag hat der Gesamtpersonalrat (GPR) einen Brief an Bamf-Chefin Jutta Cordt geschrieben, in der er heftige Kritik an internen Abläufen formuliert und die Mitarbeiter in Schutz nimmt. Für die Misere sei die Führung des Amtes verantwortlich, schreiben GPR-Chef Rudolf Scheinost und sein Vize Paul Müller. Der Brief liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Viele Bamf-Mitarbeiter hätten "kein Verständnis", dass es nach Bekanntwerden der Causa Bremen am Willen zur Aufklärung ebenso mangle wie am Willen, nötige Konsequenzen zu ziehen, schreiben die beiden GPR-Chefs: "Diese Auffassung teilen wir."

Sowohl das Bamf wie auch das Bundesinnenministerium betonen dagegen, dass man intensiv an einer Aufklärung arbeite. Der Personalrat kritisiert, dass die Bamf-Mitarbeiter pauschal dem Verdacht ausgesetzt würden, "im Bamf herrsche Inkompetenz und Willkür". Verantwortlich für die Misere aber seien die Vorgaben von oben, wonach "bis heute" der Erledigung von Fällen der Vorrang eingeräumt werde; Qualität werde dem "vollständig untergeordnet". Dies habe dazu geführt, dass "bewusst" Einschränkungen in der Rechtsstaatlichkeit beim Bearbeiten der Asylanträge in Kauf genommen würden.

Als Beispiel für den immer noch vorhandenen Druck nennt der GPR die Absage von Schulungen: Weil in einer Außenstelle die Produktivziele nicht erreicht worden seien, seien grundlegende Schulungen abgesagt worden, um mehr Zeit für Entscheidungen zu haben. "Mit anderen Worten: Nur wer ohne Schulung die Produktivziele erfüllt, darf zur Schulung", schreiben Scheinost und Müller. Die Amtsleitung habe dies dem GPR damit begründet, dass man der Verfahrensbeschleunigung den Vorrang gegeben habe. "So viel aktuell zur pressewirksam verkündeten ,Qualitätsoffensive'", kommentieren die GPR-Chefs.

Scheinost und Müller appellieren an Cordt, zusammen mit den Beschäftigten einen "Neuanfang" zu unternehmen. Dafür müssten die Asylverfahren seit 2015 sorgfältig überprüft und die Verantwortlichen benannt werden. "Dabei müssen die sogenannten Führungskräfte und nicht die weisungsabhängigen Mitarbeiter des Bundesamtes im Fokus stehen." Man müsse künftig der Qualität den Vorrang geben und nicht "irrealen Produktivleistungen": "Nur auf diesem Wege wird das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und die Arbeit unseres Amtes wieder hergestellt. Hierzu bedarf es den Mut zur Wahrheit".

Das Asylbundesamt, kurzfristig um eine Stellungnahme gebeten, konnte sich bis Montagabend noch nicht zu dem Brief äußern.

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Quelle:
SZ vom 29.05.2018
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