Baltikum:Balten pochen auf Sanktionen

In der EU hat eine Debatte über die Bestrafung Russlands begonnen, doch Polen und Balten wollen an ihnen festhalten.

Von Stefan Braun , Vilnius/Riga

In den baltischen Staaten gibt es nach wie vor harschen Widerstand gegen eine Lockerung der Sanktionen, die seit dem Beginn des Ostukraine-Konflikts gegen Russland verhängt wurden. Wäh-rend in der EU und in Deutschland immer mehr Stimmen laut werden, die mindes-tens für eine Aufweichung plädieren, sagte Litauens Außenminister Linas Linkevicius nach einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier (SPD), er sehe überhaupt keinen Grund, an den Sanktionen irgendetwas zu ändern. Die Lage habe sich nicht verbessert.

Steinmeier betonte, Sanktionen seien kein Selbstzweck, deshalb würden sich seine Anstrengungen derzeit darauf konzentrieren, Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Abkommens zu erreichen. Viel Zeit dafür bleibt aber nicht mehr. Wenn die Sanktionen Ende Juni nicht von allen 28 EU-Mitgliedern verlängert werden, würden sie automatisch auslaufen.

Das zu verhindern, so heißt es in Berlin, könnte deutlich schwerer werden als in der Vergangenheit. Längst hat in der EU, aber auch in Berlin, eine Debatte über die Sanktionen begonnen. Während vor allem die Polen und die Balten für eine scharfe Verlängerung plädieren, wächst vor allem in Spanien, Italien und Griechenland der Widerstand. Die meisten fordern mindestens eine Lockerung. Und ähnlich hatte sich auch Vizekanzler Sigmar Gabriel geäußert. ,,Wir wissen alle aus unserer Erfahrung, dass Isolation auf Dauer gar nichts bringt. Am Ende hilft nur Dialog'', hatte der SPD-Chef Mitte der Woche erklärt. Und hinzugefügt, dass der bisherige Kurs der EU (,,erst 100 Prozent Minsk, dann gibt es 100 Prozent Aufhebung der Sanktionen'') nicht besonders klug sei.

Steinmeier sieht das nicht anders. Seit langem erklärt er, die Sanktionen dürften nicht das Ziel haben, Russland in die Knie zu zwingen. Zugleich aber könnten Locke-rungen nur begründet werden, wenn man Fortschritte beim Minsk-Prozess nachwei-sen kann. Deshalb hat die Zahl der Treffen im Normandie-Format wieder zugenommen. Deshalb gab es am Donnerstag unter Vermittlung der OSZE neue Gespräche über einen dauerhaften Waffenstillstand. Deshalb gibt es seit Tagen Bemühungen, die Bedingungen für die vereinbarten Lokalwahlen zu präzisieren. Und nach der Freilassung der ukrainischen Kampfpilotin Nadija Sawtschenko wird Steinmeier nicht müde, auch das als Erfolg deutscher Bemühungen und als Beleg für Fortschritte im Konflikt zwischen Moskau und Kiew zu preisen. Ohne die dürfte es schwer wer-den, bis Ende Juni eine einheitliche Hal-tung zu den Sanktionen zu erreichen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk gab sich betont optimistisch. Er sagte am Donners-tag am Rande des G7-Gipfels in Japan, er habe keine Zweifel, dass man sich bald ohne große Debatten für eine Verlänge-rung entscheiden werde. Das freilich muss als Zweckoptimismus durchgehen. Zumal Diplomaten darauf verweisen, Tusks Worte würden nicht ausschließen, dass die Sanktionen zwar verlängert, aber gleichzeitig gelockert werden.

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