Balkan:Korrupte Karrieren

Western Balkan leaders meet in Albania

Den Karrieren von Albaniens Präsident Ilir Meta (links) und von Serbiens Präsident Aleksandar Vučić haben Korruptionsvorwürfe nicht geschadet.

(Foto: Florion Goga/Reuters)

In Südosteuropa haben Politiker, die bei Mauscheleien ertappt werden, selten etwas zu befürchten.

Von Enver Robelli, Zürich

Nur 18 Stunden nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos trat der österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache vor die Presse und erklärte seinen Rücktritt. Eine Rückkehr auf die große politische Bühne scheint mehr als ausgeschlossen. Doch nicht überall in Europa reagiert die politische Kultur mit dem Rücktritts-Reflex.

Besonders nicht auf dem Balkan. Betrug, Korruptionsaffären und Amtsmissbrauch müssen einer politischen Karriere keinen Abbruch tun. Anfang 2011 veröffentlichten albanische Medien geheime Aufnahmen von einem Treffen des Vizepremiers Ilir Meta mit Wirtschaftsminister Dritan Prifti. Die beiden Herren diskutierten über korrupte Machenschaften. Meta forderte seinen Parteikollegen auf, die Privatisierung der staatlichen Erdölgesellschaft Albpetrol zu annullieren und die Ausschreibung zum Bau eines Wasserkraftwerks zu manipulieren. Die Rede war von einer Bestechungssumme von umgerechnet mehr als 700 000 Euro.

Staatspräsident Vučić zeigte sich unbeeindruckt, dass sein Bruder mit einem Kriminellen verkehrt

Das Video hatte Wirtschaftsminister Prifti in seinem Büro gedreht - angeblich, um seinen Chef zu erpressen. Die albanische Justiz, die diesen Namen nicht verdient, entschied, dass die Aufnahmen nicht als Beweismittel verwertet werden dürfen. Meta wurde freigesprochen. Der gewiefte Politiker war den beiden großen Parteien als Mehrheitsbeschaffer willkommen. 2017 wurde er sogar zum Staatspräsidenten gewählt.

Der jetzige serbische Außenminister Ivica Dačić musste 2013 - damals war er Regierungschef - einräumen, dass er Kontakte zur Drogenmafia gepflegt hatte. Als Innenminister traf er sich mehrmals mit dem Drogenbaron Rodoljub Radulović, der beschuldigt wurde, zwei Tonnen Kokain von Südamerika nach Spanien geschmuggelt zu haben. Er habe von Radulovićs kriminellen Aktivitäten nichts gewusst und sei in eine Falle gelockt worden, sagte Dačić. Laut serbischen Medien sind die Abhörprotokolle der Sicherheitsdienste auf 130 CDs gespeichert.

Nicht nur Dačić traf sich mit dem Drogenhändler, sondern auch mehrere Mitarbeiter des Innenministeriums. Dačić soll von Radulović ein Handy der Marke Blackberry als Geschenk erhalten haben. Wegen der Affäre wurde er nicht zur Verantwortung gezogen: Dačić reist weiterhin um die Welt als Serbiens Chefdiplomat.

Mitte April veröffentlichte das Belgrader Newsportal Krik ein Bild, auf dem Andrej Vučić, der Bruder vom Staatschef Aleksandar Vučić, mit dem Unterweltkönig Zvonko Veselinović zu sehen ist. Der aus Kosovo stammende Veselinović ist laut Angaben der serbischen Polizei Chef einer Gruppe, die Drogen, Waffen und Treibstoff schmuggelt und Schwarzgeld wäscht. Er soll auch hinter dem Mord an einem moderaten serbischen Politiker im Norden Kosovos stehen. Die Justiz in Serbien hat ihn zu zwei Jahren Haft verurteilt - wegen illegalen Kiesabbaus. Staatspräsident Vučić zeigte sich unbeeindruckt, dass sein Bruder mit einem landesweit bekannten Kriminellen verkehrt: "Auch ich habe mehrere Bilder mit Veselinović." Damit ist die Sache für Vučić abgeschlossen.

"Wir sind keine Freunde mehr, gib mir mein Geld zurück": Mit diesen Worten wandte sich Ende Januar der Geschäftsmann Duško Knežević an Montenegros Präsidenten Milo Ðukanović. Der Besitzer zweier Banken veröffentlichte aus dem Londoner Exil Ton- und Bildmaterial, das er heimlich aufgenommen hatte. Ein Video zeigt, wie Ðukanović-Vertrauten ein Briefumschlag mit Geld überreicht wird. Darüber hinaus will er auch Ðukanović selbst Geld gegeben haben. Der Langzeitherrscher hat alles dementiert und seinen ehemaligen Geschäftspartner verklagt.

Die Unverfrorenheit der Politiker auf dem Balkan zeigt Folgen. Immer mehr junge, gut ausgebildete Menschen verlassen ihre Heimat. Laut einer Umfrage wollen 75 Prozent der Jugendlichen Serbien verlassen, in Albanien sind es 66 Prozent und in Montenegro 63 Prozent. Auch in den anderen Balkanstaaten ist die Lage ähnlich dramatisch.

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