Süddeutsche Zeitung

Balkan-Gipfel im Kanzleramt:Kaum mehr als ein Impuls

  • Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Macron haben in Berlin die Vertreter von acht Balkan-Staaten an einen Tisch gebracht.
  • Ziel war es, Bewegung in den festgefahrenen Streit zwischen Serbien und Kososvo zu bringen.
  • Viel mehr als eine "offene Diskussion" wurde aus dem Abend nicht.

Von Peter Münch, Berlin

Gemeinsam haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Versuch gestartet, neue Bewegung in den festgefahrenen Konflikt zwischen Serbien und Kosovo zu bringen. Zu einem Gipfeltreffen, das sie beide zur Eröffnung als "offene Diskussion" bezeichneten, haben sie dazu am Montagabend Staats- und Regierungschefs aus acht Staaten der Balkan-Region ins Berliner Kanzleramt geladen. Konkrete Beschlüsse wurden nicht gefasst.

Nach Abschluss der Gespräche teilte das Bundespresseamt lediglich mit, die Vertreter Serbiens und Kosovos seien übereingekommen, "ihre Anstrengungen zur Umsetzung bestehender Vereinbarungen voranzutreiben". Beiden Staaten wollten sich unter Vermittlung der EU wieder "konstruktiv" in den Dialog einbringen, um eine Lösung zu erzielen. Kosovo hatte sich 1999 im Krieg von Serbien gelöst und 2008 für unabhängig erklärt. Serbien erkennt das nicht an. Aus Teilnehmerkreisen war zudem zu erfahren, dass für den 1. Juli ein erneutes Treffen in Paris geplant ist.

Die recht kurzfristig angesetzte hochrangige Zusammenkunft in Berlin kam auf Initiative Merkels zustande, die einen "gemeinsamen Impuls" in der auch innereuropäisch hoch komplizierten und längst nicht homogenen Balkan-Politik als Ziel ausgab.

Neben den Vertretern aus Serbien, Kosovo, Montenegro, Albanien, Bosnien, Nordmazedonien, Kroatien und Slowenien war auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini geladen. DIe hatte im vergangenen Jahr offenbar unabgesprochen eine Debatte über Grenzverschiebungen als Grundlage einer Einigung zwischen Serbien und Kosovo befeuert. Merkel hatte als Reaktion darauf die Grenzen für "unantastbar" erklärt. Bei Veränderungen drohten neue Konflikte in der Region. Die seit den Balkan-Kriegen der Neunzigerjahre geltenden EU-Grundsätze könnten konterkariert werden.

Macron betonte nun zwar, man werde Serbien und Kosovo keine Vorgaben machen, wie sie ihren Konflikt lösen. Doch schon im Entwurf der gemeinsamen Abschlusserklärung wurden Grenzveränderungen nicht erwähnt. Sondern gleich mehrfach auf die Notwendigkeit verwiesen, dass ein Abkommen zur regionalen Stabilität beitragen müsse.

Um in der problembeladenen Region auch auf positive Entwicklungen zu verweisen, wurde Nordmazedonien von Merkel und Macron als Beispiel für erfolgreiche Konfliktlösung belobigt. Dort hat sich die Regierung nach jahrezehntelangem Streit mit dem Nachbarn Griechenland darauf geeinigt, den Staatsnamen mit dem Präfix "Nord" zu versehen. Und zwar gegen den Widerstand der Nationalisten. Der Namenszusatz liefert die geforderte Unterscheidung zur griechischen Nordregion Makedonien.

Damit ist ein beträchtliches Hindernis auf dem Weg zur Mitgliedschaft von Nordmazedonien in Nato und EU aus dem Weg geräumt worden. Innerhalb der EU ist es allerdings umstritten, wie schnell die Regierung in Skopje für ihre Rolle bei der Einigung mit Athen belohnt wird.

Eigentlich war die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und auch Albanien für Juni, also unmittelbar nach der EU-Parlamentswahl, geplant. Doch Frankreich bremst, weil Präsident Macron generell die Reform und Vertiefung der bestehenden EU verlangt, bevor eine neue Erweiterungsrunde um die sechs Staaten des Westbalkans konkret wird.

Macron: Keine Beitrittspolitik zum jetzigen Zeitpunkt

Auch in Berlin betonte Macron ausdrücklich, dass es bei diesem Treffen "nicht um Beitrittspolitik" gehe. Das Thema der Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien ist deshalb verlagert worden auf bilaterale Gespräche, die Merkel vor Beginn des abendlichen Gipfeltreffens gesondert mit den Ministerpräsidenten Zoran Zaev aus Skopje und Edi Rama aus Tirana führte.

Beim folgenden Arbeitsgruppentreffen und Abendessen aller Teilnehmer standen dann konkrete Probleme zwischen Serbien und Kosovo auf der Agenda. Etwa die Strafzölle von 100 Prozent auf serbische Güter, die von der kosovarischen Regierung im Dezember eingeführt worden waren. Serbien hatte zuvor die Aufnahme des Landes bei Interpol verhindert. Merkel nannte das als Beispiel für "negative Entwicklungen". Seitdem jedenfalls herrschte Eiszeit in dem von der EU initiierten Verhandlungsprozess zwischen Serbien und Kosovo.

Neue Initiativen in der Balkan-Politik sind für die EU auch deshalb wichtig, weil in der Region zunehmend andere Kräfte um Einfluss ringen. Russland betont dabei die slawische Bruderschaft, die Türkei bemüht sich besonders um die Muslime in Bosnien. Und China knüpft breite wirtschaftliche Verbindungen.

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