Balkan:Flötenspielerin, Juristin - und nun auch Chefdiplomatin

Ende der Siebzigerjahre flüchtete ihre Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Stuttgart. Gut vierzig Jahre später kehrt Donika Gërvalla-Schwarz in ihre Heimat zurück: Sie wird Außenministerin der Republik Kosovo.

Von Enver Robelli

Als am Montagabend die neue kosovarische Regierung gewählt wurde, blickte Donika Gërvalla-Schwarz zunächst auf ihr Leben zurück. Für sie schließe sich nun der Kreis: Vor mehr als 40 Jahren sei ihr Vater aus Kosovo nach Deutschland geflüchtet, nun kehre seine Tochter zurück, um dem Land zu dienen - als neue Außenministerin. Bei den Wahlen Mitte Februar gehörte sie zu den meistgewählten Frauen. In Fernsehdebatten, die wie in jedem Balkanland von lärmenden Männern dominiert werden, fiel sie auf mit ihrer sachlichen Sprache.

Der neue Premierminister Albin Kurti hatte schon während der Wahlkampagne versprochen, dass im Ausland lebende und ausgebildete Kosovo-Albaner eine grössere Rolle in der Regierung spielen werden. Das Verteidigungsressort übernimmt beispielsweise ein norwegischer Offizier mit kosovarischen Wurzeln. Mehr als eine halbe Million Kosovaren leben in westlichen Ländern. Davon sind viele von ihnen geprägt und lehnen die korrupten Parteien in der alten Heimat ab. Die Diaspora-Kosovaren sind zudem kaum abhängig von den dortigen Seilschaften, sie unterstützen deshalb seit Jahren mehrheitlich die reformorientierte Anti-Establishment-Partei Vetëvendosje, was Selbstbestimmung bedeutet, von Albin Kurti.

Als Außenministerin wird Donika Gërvalla-Schwarz auch für die Auslandkosovaren zuständig sein. Die 49-Jährige ist eine der prominentesten Vertreterinnen der Diaspora. Es gibt kaum einen Albaner, der ihre Familiengeschichte nicht kennt. Vater Jusuf Gërvalla, ein bekannter Journalist, Schriftsteller und Liedermacher, verließ Ende der 70er-Jahre das damalige Jugoslawien, um einer drohenden Festnahme zu entkommen. Kurz danach flüchtete auch der Rest der Familie. In der Nähe von Stuttgart fand sie eine Unterkunft. "Von unseren Nachbarn wurden wir mit Respekt und Wärme behandelt", hat Gërvalla-Schwarz einmal erzählt.

Der Geheimdienst erschoss ihren Vater

Doch im Januar 1982 brach für die junge Familie die Welt zusammen, als ein Killerkommando im Auftrag des jugoslawischen Geheimdienstes Jusuf Gërvalla, seinen Bruder Bardhosh und den Freund Kadri Zeka erschoss. Der Aktivist Zeka lebte in der Ostschweiz und war zu Besuch nach Deutschland gereist. "Das ganze sieht nach einer Hinrichtung aus", schrieb damals das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Von Ende der 60er- bis Ende der 80er-Jahre ließ der jugoslawische Geheimdienst mehrere Dutzend Gegner des Belgrader Regimes in Deutschland und in einem Fall auch in der Schweiz ermorden.

Nach dem Attentat entschloss sich die Familie Gërvalla, nach Albanien zu ziehen. Die dortige kommunistische Regierung unter Diktator Enver Hoxha nutzte ihren Aufenthalt propagandistisch aus, um der Nation zu beweisen, wie sie sich für die unterdrückten Landsleute in Kosovo einsetze. In Wahrheit wurde die kleine Gemeinde der Kosovo-Albaner im stalinistischen und mausarmen Albanien dauerüberwacht und ideologisch getrimmt.

Donika Gërvalla studierte in Tirana Querflöte. In alten Aufnahmen sieht man ein Mädchen mit rotem Rock, die eine Bach-Suite spielt. Ein Maskottchen des Regimes wollte sie aber nie sein. Zu Beginn der 90er-Jahre nahm Gërvalla an einem Hungerstreik und Studentenprotesten teil, die zum Sturz des kommunistischen Terrorregimes führten. Danach emigrierte sie nach Deutschland. In Hamburg studierte sie Jura, gleichzeitig setzte sie sich in der deutschen Öffentlichkeit für eine westliche Intervention in Kosovo ein, um der serbischen Repression Einhalt zu gebieten.

Ihr Mann saß für die CDU im Bundestag

Als der Krieg mit Hilfe der Nato 1999 zu Ende ging, kritisierte Gërvalla die ehemaligen Kommandanten der kosovarischen Rebellenarmee UCK heftig: Sie würden ein korruptes System aufbauen und die Sorgen der Bevölkerung nicht ernst nehmen. Ihre Warnungen stiessen auf taube Ohren. Als Mitglied der konservativen Demokratischen Liga Kosovos des 2006 gestorbenen Präsidenten Ibrahim Rugova kämpfte sie jahrelang vergeblich für Parteireformen und gegen die Apparatschiks, die immer wieder mit dem "Kriegsflügel"-Bündnis paktierten.

Vor den kosovarischen Parlamentswahlen verließ sie Bonn, wo sie mit ihrer Familie lebt, um definitiv in die aktive Politik in Pristina einzusteigen. Sie kandidierte auf der Liste der linken Vetëvendosje. Donika Gërvalla-Schwarz ist mit dem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Schwarz verheiratet. Das Ehepaar hat fünf Kinder. Für sie wird die neue Außenministerin in Zukunft vermutlich wenig Zeit haben. Sie wird jetzt das Gesicht Kosovos auf internationaler Bühne sein. Für das kleine Mädchen aus Kosovo war das vor 40 Jahren undenkbar.

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