Balkan:Anzeichen guter Absicht

Der Aufschwung soll die Verständigung und dauerhaften Frieden bringen: Serbien und Kosovo wollen eine Autobahn sowie eine neue Eisenbahnstrecke bauen.

Von Tobias Zick

Balkan: Damit sie auch alles richtig machen: US-Botschafter Richard Grenell (Mitte) und die Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaçi (links hinten), und Serbien, Aleksandar Vučić (rechts hinten), sehen zu, wie die Verträge über Infrastrukturmaßnahmen unterzeichnet werden (vorne).

Damit sie auch alles richtig machen: US-Botschafter Richard Grenell (Mitte) und die Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaçi (links hinten), und Serbien, Aleksandar Vučić (rechts hinten), sehen zu, wie die Verträge über Infrastrukturmaßnahmen unterzeichnet werden (vorne).

(Foto: Thomas Kienzle/AFP)

Es passiert nicht allzu oft, dass hochrangige US-amerikanische Diplomaten Pläne für eine neue Eisenbahnverbindung im Südosten Europas bejubeln. Am Freitagmorgen, am Rand der Münchner Sicherheitskonferenz, geschah genau dies: Richard Grenell, US-Botschafter in Berlin, trat in der Hypovereinsbank auf ein Podium, zusammen mit den Präsidenten von Serbien und Kosovo, Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi. Die beiden unterschrieben eine Absichtserklärung, wonach sie eine neue Eisenbahnstrecke sowie eine Autobahn zwischen ihren beiden Ländern bauen wollen. "Dies ist ein Signal für die Wirtschaft in den USA und in Europa, in der Region zu investieren", sagte Grenell, der seit Oktober auch der Sondergesandte Donald Trumps für den Dialog zwischen Serbien und Kosovo ist.

Hashim Thaçi dankte wenig später auf Twitter US-Präsident Trump für seine "Führung" und Grenell für dessen "Entschlossenheit". Man habe soeben einen "großen Schritt hin zu einem endgültigen Friedensabkommen zwischen den beiden Ländern" gemacht. Sein serbischer Kollege Vučić schloss sich - etwas zurückhaltender im Ton - dem Dank an, "im Namen Serbiens". Er äußerte sich zuversichtlich, dass man den "Frieden für die kommenden Jahrzehnte sichern" werde.

Es sind zumindest Anzeichen von Tauwetter zwischen Serbien und seiner ehemaligen Provinz Kosovo, die sich 2008 für unabhängig erklärte, bis heute aber von dem größeren Nachbarn nicht als Staat anerkannt wird. Ein Dialogprozess unter Vermittlung der Europäischen Union ist eingefroren, seit die Regierung Kosovos im November 2018 Strafzölle in Höhe von 100 Prozent auf Waren aus Serbien verhängte - und damit de facto einen Einfuhrboykott. Zuvor hatte Serbien zum wiederholten Mal verhindert, dass Kosovo Mitglied der internationalen Polizeibehörde Interpol wird, und zudem mehrere Länder davon überzeugt, ihre Anerkennung der abtrünnigen Provinz als Staat zurückzunehmen.

Unter Trumps Führung versuchen die USA nun verstärkt, Annäherung durch wirtschaftliche Entwicklung herbeizuführen, wobei neue Bahn- und Straßenverbindungen tatsächlich eine treibende Kraft sein könnten. Im Januar hatten die Regierungen in Belgrad und Pristina auf Vermittlung der USA bereits vereinbart, nach 21 Jahren erstmals wieder Direktflüge zwischen den beiden Hauptstädten einzurichten. Kurz darauf hatte Grenell bei einem Besuch in Pristina angekündigt, dass ein weiteres Abkommen zu Bahnverbindungen in der Mache sei, und dazu erklärt: "Die Vision von Präsident Trump wird wahr."

In ihrer Entschlossenheit, den Konflikt zwischen Serbien und Kosovo zu lösen, sind sich Amerikaner und Europäer grundsätzlich einig. Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, hat die Wiederbelebung des Dialogs zwischen den Regierungen der beiden Balkanstaaten zu einer Priorität für seine Amtszeit erklärt. Doch in wesentlichen Details gibt es grundverschiedene Auffassungen. Die Trump-Regierung in Washington hat im vergangenen Jahr Unterstützung signalisiert für Pläne, den Grenzverlauf zwischen Serbien und Kosovo nach ethnischen Kriterien zu ändern - mehrheitlich von Serben bewohnte Gebiete im Norden Kosovos also an Serbien anzuschließen und albanisch besiedelte Landesteile im Süden Serbiens im Gegenzug Kosovo zuzuschlagen. In Berlin und inzwischen auch in Brüssel lösen derlei Pläne Entsetzen aus - weil sie, so die Befürchtung, einen Dominoeffekt quer über den Balkan auslösen und entlang der Grenzen anderer Länder des ehemaligen Jugoslawien ähnliche Begehrlichkeiten wecken könnten.

Die beiden Präsidenten, die am Freitag in der Münchner Hypovereinsbank das Eisenbahn- und Straßenabkommen unterzeichnet haben, hatten 2018 just einen solchen Gebietstausch gemeinsam ins Auge gefasst, wohlwollend moderiert von der damaligen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Kritiker warfen Präsident Hashim Thaçi vor, sich durch derartige Kungeleien mit Belgrad international ein Image als Friedensstifter zu erarbeiten, während ihm, der einst die Kosovo-Befreiungsarmee UÇK anführte, eine Vorladung vor ein Kriegsverbrechertribunal in Den Haag droht.

Schon der damalige Premier Ramush Haradinaj, der selbst nach einer Vorladung nach Den Haag zurücktreten musste, lehnte den Gebietstausch ab. Sein Nachfolger Albin Kurti hat die Wahl gewonnen mit dem Versprechen, das alte, von Korruption und Vetternwirtschaft geprägte System auszumisten. Hinterzimmer-Absprachen wie jene zwischen Präsident Thaçi und dessen serbischem Kollegen gehören erklärtermaßen dazu.

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