Bahnreform:Es muss sich etwas ändern bei der Bahn. Nur was?

Deutsche Bahn - Regionalbahn

Die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene verspricht schnelle Klimaeffekte. Und genau die müssen dringend her, will Deutschland seine Emissionsziele erfüllen.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

FDP und Grüne wollen den Staatskonzern radikal umbauen, um mehr Verkehr auf die Schiene umzuleiten. Die SPD lehnt eine große Reform ab. Doch dass sich die enormen Probleme der Bahn so lösen lassen, ist fraglich.

Von Markus Balser, Berlin

Wie sehr der Druck auf Reformen im Verkehrssektor zuletzt gewachsen ist? Der Terminplan der scheidenden Regierung sprach schon Bände. Kaum ein Monat verging seit dem Frühjahr, ohne dass der noch geschäftsführende Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einen Gipfel anberaumt hätte. Da war der nationale Radverkehrsgipfel, der europäische Bahngipfel. Und Autogipfel gab es auch. Das Ziel war immer das gleiche: endlich das Klimaproblem auf den deutschen Straßen in den Griff zu bekommen.

Immer ganz oben auf der Agenda: die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene. Das verspricht schnelle Klimaeffekte. Und genau die müssen aus Sicht der Verhandler dringend her. Denn die Klimabilanz des Verkehrs hierzulande hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht signifikant verbessert. Deutschland soll aber schon 2045 klimaneutral wirtschaften. In einem ersten Zwischenschritt sollen die Emissionen in diesem Sektor bereits bis 2030 um 42 Prozent sinken. Weil mehr Elektroautos das Problem allein nicht lösen können, wurde in den Koalitionsverhandlungen diese Woche die Bahn zum großen Thema.

Laut ihren Wahlprogrammen haben die beiden kleineren Koalitionspartner Großes vor: die Zerschlagung des Konzerns. Der Zugbetrieb sollte vom Netz getrennt werden, finden Grüne und FDP, um langfristig mehr Wettbewerb auf den Schienen zu schaffen - und so letztlich auch mehr Verkehr. Doch die Gespräche endeten für die Reformer nach Angaben aus Verhandlungskreisen ernüchternd.

Eine Zerschlagung? "Diese Zeit haben wir nicht."

Die SPD lehnt eine große Reform ab. Damit sei sie vom Tisch, heißt es aus Verhandlungskreisen. Die Partei fühle sich an Zusagen an die größte Bahngewerkschaft EVG gebunden, eine Zerschlagung nicht zuzulassen. Die EVG selbst machte am Freitag deutlich, dass auch sie sich an das Versprechen erinnert. Eine Zerschlagung "würde einen Stillstand bei der Verkehrswende bedeuten", sagte der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Martin Burkert. "Diese Zeit haben wir nicht. Die Politik muss jetzt die Schiene voranbringen und Geld in die Hand nehmen." Die EVG kündigte "massive Proteste" an, sollte eine künftige Ampel-Koalition in der Bundesregierung den Konzern doch aufspalten wollen. "Die Trennung ist für uns eine rote Linie", sagte Burkert.

Doch dass sich bei der Bahn etwas ändern muss, ist klar. Bis 2030 soll der Konzern seine Passagierzahlen verdoppeln. Davon ist der Konzern noch meilenweit entfernt. Die Probleme wurden mit der Corona-Krise größer statt kleiner. Leere Züge führten zu Milliardenverlusten. Der Schuldenberg wuchs auf den Rekord von weit mehr als 30 Milliarden Euro an. Die Bahn selbst ist trotz aller Probleme strikt gegen eine Aufspaltung. Wohl auch, weil sie dann mehr Konkurrenz auf der Schiene fürchten müsste. Anrufe aus dem Bahnvorstand hätten einen höheren Takt gehabt als manche ICE-Verbindung zwischen Großstädten, heißt es aus Verhandlungskreisen.

Doch tatsächlich spräche einiges für eine große Reform. Derzeit gehört die Gleis-Infrastruktur in Deutschland zur Bahn-Tochter DB Netz. Sie ist für Betrieb und Ausbau des Netzes verantwortlich. Das finanziert das Unternehmen aus den Trassenentgelten, die die Bahn und ihre privaten Konkurrenten ähnlich einer Maut für die Nutzung der Gleise zahlen. Gegner dieser Struktur kritisieren, dass die Bahn so beim nötigen Ausbau des Netzes betriebswirtschaftlichen Zwängen unterliegt. Der Kosten-Nutzen-Faktor entscheide, ob eine Strecke gebaut werde oder nicht, heißt es aus dem Kreis der Verhandler. Die Bahn konzentriere sich so auf ohnehin viel befahrene Strecken. Der Bund könne als direkter Eigentümer des Netzes freier über Investitionen in die Infrastruktur entscheiden, die Trassen anders planen und neue Angebote schaffen.

Als Kompromiss deutet sich eine kleine Lösung an

Bahnverbände hoffen noch auf eine Einigung auf der Schlussgeraden der Koalitionsverhandlungen. "In fast allen Netzwirtschaften - Gas, Strom, Post, Telefonie, Internet, Luftverkehr - haben wir seit Langem eine Trennung zwischen dem Netz als einem natürlichen Monopol und den Dienstleistungen auf dem Netz, die im Wettbewerb erbracht werden", sagte Tobias Heinemann, Präsident des Verbands Mofair, der private Bahnunternehmen vertritt. "Bei der Eisenbahn sind wir aber in den Neunzigerjahren stehen geblieben."

Als Kompromiss bahnt sich eher eine kleine Lösung an. Möglicherweise soll DB Netz als Bahn-Tochter erhalten bleiben, aber organisatorisch stärker vom Rest des Konzerns getrennt werden, heißt es. Der Umbau könnte auch bedeuten, dass die neue Regierung das Personal an der Bahn-Spitze ändert. Um seinen Posten fürchten müsste wohl neben Konzernchef Richard Lutz der Merkel-Vertraute und heutige Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla.

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