Drohende Bahnstreiks:Grüne: Scheuer sollte im Bahn-Streit vermitteln

Umstieg, Ersatz, Storno: Das können Bahnreisende einfordern

Von Donnerstag an dürften wieder viele Reisende vergeblich auf ihre Züge warten.

(Foto: Matthias Balk/dpa-tmn)

Der Ärger in Deutschland über den festgefahrenen Tarifstreit bei der Bahn wächst - und auch der Druck auf Verkehrsminister Scheuer. Die Grünen, aber auch FDP und Linke fordern eine schnelle Einigung.

Von Markus Balser, Berlin

Wenn derzeit bei der Bahn etwas pünktlich ist, dann der Stillstand. In der Nacht zum Donnerstag um zwei Uhr wird in der Bahnzentrale erneut die Meldung eingehen, dass überall im Land die Fernzüge stehen. Die Lokführergewerkschaft GDL verschärft den Tarifstreit mit der Deutschen Bahn und ruft zum bislang längsten Streik auf. Erst nach fünf Tagen, in der Nacht zum Dienstag, werden die Züge wieder normal rollen. Erstmals wird damit der Zugverkehr auch an einem Wochenende bestreikt. Ausgerechnet an einem Ferienwochenende, das viele Familien zur Rückreise aus dem Urlaub nutzen.

In Deutschland wächst damit auch der Ärger über den festgefahrenen Tarifstreit, in den einfach keine Bewegung kommt. Dass GDL-Chef Claus Weselsky den erneuten Streik just zum Start in die heiße Wahlkampfphase vier Wochen vor der Bundestagswahl startet, ist wohl kalkuliert. Der streitlustige GDL-Chef erreicht in diesen Tagen jene maximale Aufmerksamkeit für die Belange seiner Lokführer, die er sich wünscht.

Vor allem der Druck auf Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wächst. Die Grünen gingen am Dienstag in die Offensive und fordern, dass sich Scheuer in den festgefahrenen Streit einschaltet. Als Vertreter des Eigentümers der Bahn müsse sich Scheuer "aktiv um eine Vermittlung auf dem Weg zur Schlichtung bemühen statt nur mit den Händen in der Tasche danebenzustehen und zuzuschauen", sagt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der Süddeutschen Zeitung. "Für die Beschäftigten der Deutschen Bahn trägt die Bundesregierung eine besondere Verantwortung", sagt Hofreiter weiter.

Die Grünen mahnen faire Bedingungen für die Beschäftigten an. Die Bahn sei für eine Mobilitätswende der zentrale Baustein und müsse deshalb attraktive Jobs mit guten Tarifverträgen und fairen Arbeitsbedingungen bieten, forderte Hofreiter. "Es braucht nun konkrete und lösungsorientierte Angebote, um den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen." Die Grünen geben der Regierung zudem eine Mitschuld an dem Tarifkonflikt. Mit ihrem Tarifeinheitsgesetz, das die Macht kleinerer Gewerkschaften wie der GDL einhegen soll, hätten sie die Konkurrenz der beiden Bahngewerkschaften erst unnötig angeheizt. "Sie sollten jetzt schleunigst reagieren und das Gesetz beerdigen, um noch mehr Schaden von der Deutschen Bahn abzuwenden", sagte Hofreiter.

Der Streik könnte ihr im Wahlkampf schaden, fürchtet die Union

Auch bei der FDP wächst der Ärger. "Der erneute Streik wird Deutschland quasi für mehrere Tage lahmlegen", sagt Oliver Luksic, der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion. "Das schadet der gewünschten Verkehrsverlagerung zugunsten der Schiene." Angesichts von Corona und fehlender Planbarkeit werde Zugfahren "unattraktiver". Kommt es nicht zu einer schnellen Einigung, fordert auch die FDP einen Schlichter. "Ein dritter Streik wäre komplett unzumutbar", warnt auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Die Regierung solle die berechtigten und bezahlbaren Forderungen erfüllen, so Bartsch. Verkehrsminister Scheuer und sein Ministerium wollten sich am Dienstag nicht äußern.

Allerdings versucht die Bundesregierung offenbar, hinter den Kulissen auf eine Einigung der Tarifparteien hinzuwirken. Es gebe derzeit viele Gespräche, verlautete aus Kreisen des größten deutschen Staatskonzerns. Vor allem in der Union und im Verkehrsministerium fürchtet man, dass der Streik dem eigenen Image in der entscheidenden Phase des Wahlkampfs schaden könnte. Die Politik steckt jedoch auch in einem Dilemma. Das Streikrecht der Beschäftigten ist ein hohes Gut. Die Gewerkschaften lehnen eine Einmischung der Politik bei der Bahn ab. Auch die Grünen fordern deshalb, die Politik dürfe keinen Druck auf die Streitparteien ausüben.

Die GDL hatte am Montag den dritten Streik innerhalb weniger Wochen angekündigt. Sie kämpft mit harten Bandagen um bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen sowie mehr Einfluss bei der Deutschen Bahn. Der Konzern wirft seinerseits der GDL vor, Verhandlungen zu verweigern. Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte die Beteiligten des Tarifkonflikts zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. "Viele Fahrgäste sind mit ihrer Geduld am Ende", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Lukas Iffländer. "Gerade jetzt, wo viele nach längerer pandemiebedingter Unterbrechung wieder zur Bahn zurückfinden wollen, erzeugt die Auseinandersetzung bei vielen nur noch Unverständnis."

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