Nach einem zweimonatigen Baustopp hat die Deutsche Bahn AG am Dienstag die Arbeiten an dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 wieder aufgenommen. "Es laufen die ersten Vorbereitungsarbeiten", sagte ein Bahnsprecher.
Am Freitag hatte die grün-rote Landesregierung im Lenkungskreis darauf verzichtet, für den Preis von 56 Millionen Euro den Baustillstand bis Mitte Juli zu verlängern. Landesverkehrsminister Winfried Hermann begründete das mit dem Datenmaterial, das die Bahn geliefert habe: Der Kostenvoranschlag sei "relativ unpräzise" gewesen.
Zunächst soll nach Angaben der Bahn am Nordflügel des Bahnhofs die Baustelleneinrichtung für das geplante unterirdische Technikgebäude vorbereitet werden. Über weitere Schritte will der Konzern an diesem Mittwoch auf einer Pressekonferenz berichten.
Vor der Stuttgart-21-Baustelle protestierten am Donnerstagmorgen wieder Gegner des Projekts. Polizei und Organisatoren sprachen von insgesamt etwa 300 Demonstrationsteilnehmern, etwa 130 davon beteiligten sich an zwei verschiedenen Sitzblockaden: Eine davon betraf die Zufahrt zur Baustelle am Nordflügel, die andere ein Gebäude für die Grundwasserregulierung an der Südseite. Mit ihrer Protestaktion schnitten die Blockierer mehreren Baufahrzeugen den Weg ab. Die Polizei beendete die Sitzblockade schließlich - gegen 9.45 Uhr konnten die Baufahrzeuge wieder passieren.
Nach Angaben der Parkschützer hatten sich auch mehrere "Unternehmer gegen Stuttgart 21" an der Aktion beteiligt. Der Sprecher der Unternehmer, Stefan Krüger, sagte: "Die Bahn handelt aus unternehmerischer Sicht verantwortungslos, wenn sie einfach weiterbaut, obwohl Teile von Stuttgart 21 noch nicht einmal per Planfeststellungsbeschluss genehmigt sind." Auch fehlten bis heute belastbare Kalkulationsunterlagen.
Aufschub gegen Geld
Trotzdem schaffe die Bahn in baulicher Hinsicht weitere Fakten. "Dieses Risiko muss dann auch die Bahn tragen, nicht die Allgemeinheit", forderte Krüger. Die "Unternehmer gegen Stuttgart 21" sind nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss von inzwischen 950 Unternehmern, die sich gegen das Projekt aussprechen.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann zeigte sich enttäuscht über die Wiederaufnahme der Bauarbeiten: "Die Bahn hat leider das getan, wovor wir sie gewarnt haben. Sie sollte nicht weiterbauen - wenigstens bis zum Ende des Stresstests. Ich betrachte das als großen Fehler", erklärte der Verkehrsminister.
Hermann äußerte zudem Zweifel, "dass der Stresstest auf hoher Qualität stattfindet" und begründete dies mit "dem hohen Zeitdruck", den die Bahn ausübt". Der Test soll zeigen, ob der geplante Tiefbahnhof tatsächlich in der Lage ist, in einer Hauptverkehrszeit am frühen Morgen 30 Prozent mehr zu leisten als der gegenwärtige Kopfbahnhof. Bis zur Veröffentlichung des Tests am 14. Juli sollen nach Angaben der Bahn keine unumkehrbaren Bauarbeiten abgewickelt werden.
Am Freitag will der Lenkungskreis, in dem alle Träger des Projektes vertreten sind, in einer außerordentlichen Sitzung über die Frage beraten, ob der Baustopp bis 15. Juli verlängert werden soll. Bahnchef Rüdiger Grube hatte die Verlängerung selbst vorgeschlagen, nachdem die eigentliche Frist am Montag ausgelaufen war. Die Bahn will mit dem Aufschub erreichen, dass Baden-Württemberg sich an den Kosten für die Verzögerung beteiligt. Die grün-rote Landesregierung lehnt dies bisher ab.
Seit einem Jahr gibt es in Stuttgart teilweise heftige Proteste gegen den 4,1 Milliarden Euro teuren Umbau des 16-gleisigen Kopfbahnhofs in einen achtgleisigen Durchgangsbahnhof mit kilometerlangen Tunnelstrecken. Der Technikvorstand der Deutschen Bahn AG, Volker Kefer, hatte am Freitag angekündigt, am 15. Juli müsste aus Fristgründen die Vergabe für Tunnels in einem Kostenaufwand von 750 Millionen Euro bekanntgegeben werden.
Unterdessen droht der Bahn womöglich eine weitere Bauverzögerung, weil nach Ansicht des Stuttgarter Umweltministeriums ein neues Planfeststellungsverfahren zu dem Mammutprojekt eingeleitet werden muss. Der Grund: Die Bahn will mittlerweile die Grundwasserentnahme während der siebenjährigen Bauzeit auf 6,8 Millionen Kubikmeter mehr als verdoppeln. Ursprünglich beantragt und genehmigt war dagegen die Entnahme von nur drei Millionen Kubikmeter Wasser.