Bahn:Lieber Bahnchef Grube: Es nervt!

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Jede Panne wird von der Bahn freundlich entschuldigt, doch es ändert sich nichts. Bahnchef Grube sollte die Lippenbekentnisse einstellen - und jetzt endlich die Fehler im System abstellen.

Daniela Kuhr

Zugfahren war noch nie jedermanns Sache. Viele verbinden mit der Deutschen Bahn nur Unpünktlichkeit, Unfreundlichkeit und Unsauberkeit. Und doch setzen sich jeden Tag sieben Millionen Menschen in Züge des Unternehmens. Seit seinem Dienstantritt im Mai 2009 weist Bahn-Chef Rüdiger Grube immer wieder gern darauf hin, dass der Staatskonzern in zwei Tagen so viele Menschen bewegt wie die Lufthansa in Deutschland im ganzen Jahr.

In Schieflage: Mit dem Image der Bahn und dem ihres bei jeder Panne abwiegelnden Chef Grube steht es nicht zum Besten. (Foto: dpa)

Es gibt sie also, die überzeugten Bahnkunden. Doch man muss einschränkend hinzufügen: noch. Denn das, was sich zuletzt abgespielt hat, ist geeignet, selbst treueste Kunden zu verunsichern. Wenn bei unerträglich schwülen Außentemperaturen in ICEs die Klimaanlagen versagen, in Zügen also, in denen es gar nicht möglich ist, ein Fenster zu öffnen - dann ist das nicht nur eine lästige Beeinträchtigung wie eine Verspätung. Wer in einem Waggon eingeschlossen ist, bangt um die Gesundheit. Wenn nicht um die eigene, dann um die der Kinder um ihn herum oder der älteren Mitreisenden.

Der Bahnchef wirkt stets glaubhaft zerknirscht

Und wie reagiert die Bahn? Leider muss man sagen: so wie man es inzwischen von ihr gewohnt ist. Grube entschuldigt sich, verspricht Entschädigung, alles lückenlos aufzuklären und die Missstände abzustellen. Das hat er gesagt, als massenhaft ICE-Züge wegen Problemen mit der Achse ausfielen, als bei der Berliner S-Bahn das Chaos ausbrach, als im Winter Schnee die Elektronik lahmlegte, und er sagt es jetzt, da die Temperatur in einzelnen Zügen auf 50 Grad und mehr steigt.

Der Bahn-Chef wirkt stets glaubhaft zerknirscht, auch am Donnerstag, als er im Verkehrsausschuss des Bundestags auftrat. Das ist immerhin ein Vorzug im Vergleich zu seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn, der bei Beschwerden häufig pampig reagierte. Das Problem ist nur: Man mag es trotzdem nicht mehr hören. Selbst eine noch so aufrichtig gemeinte Entschuldigung nervt, wenn sie ständig vorgetragen wird. Die Kunden wollen einfach wissen: Wann funktioniert Bahnfahren endlich wieder reibungslos?

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer liegt sicher nicht falsch, wenn er den Sparkurs vor dem jahrelang avisierten, dann aber abgesagten Börsengang als Teil des Problems sieht. Zwar hat die Bahn nicht bewusst an Klimaanlagen und Achsen gespart; dass aber nun bei Pannen zu wenig Ersatzzüge bereitstehen, ist eindeutig eine Folge des Kostendrucks der vergangenen Jahre. Grube hat versprochen, das zu korrigieren. Neue Züge müssen her, eine bessere Technik und mehr Personal. Doch damit ist es nicht getan. Die Bahn hat ein weiteres Problem, und das darf Grube nicht unterschätzen: Es ist die Kommunikation innerhalb des Konzerns.

Grube muss zeigen, ob er seine Ankündigungen ernst meinte

Wenn er sagt, die Probleme mit den Klimaanlagen seien überraschend aufgetreten, muss man sich schon sehr wundern. Wer öfter mit der Bahn fährt, weiß: Es ist keine Seltenheit, dass die Kühlung ausfällt. Das wissen die Fahrgäste, und das weiß das Zugpersonal. Wieso weiß es nicht die Konzernleitung? Und warum wurde erst jetzt bekannt, dass die Klimaanlagen nur auf Außentemperaturen von 32 Grad ausgerichtet sind? Wieso haben Techniker nicht Alarm gegeben, als mit dem Juli auch die hohen Temperaturen kamen?

Unter Mehdorn war Kritik nicht erwünscht. Mitarbeiter hatten zu funktionieren, statt eigenständig zu denken. Grube hat immer gesagt, dass er das ändern will. Nun muss er zeigen, wie ernst es ihm damit ist. Wer Missstände erkennt, muss sie sofort melden. Zugbegleiter müssen in der Lage sein, auch mal eigenmächtig in einer Notsituation etwas zu entscheiden, und sei es nur, Getränke zu reichen. Die Bahn muss zu einem Konzern werden, in dem jeder einzelne sich verantwortlich fühlt - für den Betrieb und die Kunden. Nur dann wird es der Bahn gelingen, ihre Fahrgäste nicht dauerhaft zu verprellen.

© SZ vom 23.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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