Bahn-Aufsichtsrat zu Stuttgart 21:Gelackmeiert sind auch die Befürworter

Proteste gegen Stuttgart 21

Nun ist endlich eine Entscheidung gefallen - klarer als erwartet hat sich der Bahn-Auifsichtsrat für den Weiterbau von Stuttgart 21 entschieden.

(Foto: dpa)

Das Gute ist: Immerhin ist bei Stuttgart 21 jetzt mal eine Entscheidung gefallen. Wirklich freuen über das Aufsichtsratsvotum können sich aber weder Gegner noch Befürworter. Immense Kosten für die Bürger sind garantiert. Die Frage war zum Schluss nur noch, ob Weiterbau oder Abbruch günstiger ist. Wer aber soll das vertrauenswürdig beurteilen?

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

Das Gezerre um den Bahnhof Stuttgart 21 hat eine ebenso unerfreuliche wie unvermeidliche Begleiterscheinung: Die Verlierer sind in jedem Fall die Bürger. Die Kosten werden, unabhängig davon, wer die Zwischenfinanzierung übernimmt, früher oder später bei den Angestellten der Bahn, bei den Steuerzahlern und den Bahnkunden landen. Nicht selten zahlen die sogar in Personalunion.

Gelackmeiert sind also nicht nur die Gegner des Großprojekts, sondern auch jene, die den Neubau befürworten. Viele derer, die bei der Volksabstimmung für Stuttgart 21 votierten, hätten sich das wohl noch mal überlegt, wenn sie damals schon gewusst hätten, was man heute weiß.

Deshalb ist die Entscheidung, dass Stuttgart 21 weitergebaut werden soll, nicht nur Schönfärberei, weil man ja nur etwas weiterbauen kann, was man schon zu bauen begonnen hat. Es ist gerade auch für die Befürworter eine Entscheidung, die teuer erkauft ist. Zu teuer? Darin genau liegt das Problem: Zwar weiß man viel, doch würde man gerne alles wissen. Denn bei der Entscheidung, die der Aufsichtsrat der Bahn nun getroffen hat, ging es ja nicht mehr um das Für und Wider des Bahnhofs. Es ging nur noch darum, welcher Beschluss teurer sein würde: Weiterbau oder Abbruch.

Nach Verantwortung wird erst gefragt, wenn es zu spät ist

Wer aber soll das vertrauenswürdig beurteilen? Die Bahn, die sich gerade erst so kapital verkalkuliert hat? Der Aufsichtsrat, der nicht allein, aber doch in hohem Maße von den Zahlen abhängig ist, die der Bahn-Vorstand ihm präsentiert? Welchen Anteil haben wirtschaftliche und welchen Anteil politische Überlegungen? Bemessen die Verantwortlichen "Wirtschaftlichkeit" tatsächlich nur ökonomisch in Euro und Cent oder auch parteipolitisch in zu erwartenden Prozentpunkten bei bevorstehenden Wahlen? Eines der großen Probleme an Stuttgart 21 ist die Überlappung der Ebenen zwischen Konzern und Politik, wodurch nach realer Verantwortung erst gefragt wird, wenn es zu spät ist.

Hinzu kommt ein weiteres schwer fassbares Kriterium: der Imageschaden. Wenn Weiterbau und Ausstieg von den Kosten her gleich zu veranschlagen wären, spricht manches für den Weiterbau, nicht zuletzt um neben dem Berliner Flughafendesaster eine zweite internationale Blamage zu verhindern. Keineswegs widerlegt ist aber auch die gegenteilige Vermutung, wonach ein Land sich womöglich Respekt verdient, wenn seine Verantwortlichen in der Lage sind, die Notbremse zu ziehen.

Trotz aller dieser Abwägungen gilt eines auch: Es ist nun eine Entscheidung gefallen, klarer als erwartet. Und es ist, auch das muss festgehalten werden, zum wiederholten Male eine Entscheidung für Stuttgart 21 - also dasselbe Ergebnis wie über Jahrzehnte in Parlamenten, vor Gerichten, in der Schlichtung und beim Volksentscheid. Es ist jetzt nicht nur an der Zeit, dass die Bahn und die S21-Befürworter das Projekt sauber zu Ende bringen, sondern dass auch die Gegner, insbesondere in der Stuttgarter Politik, sich mal überlegen, ob es genügt, sich wiederholten Mehrheitsentscheiden nur widerwillig zu fügen.

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