Baerbock in den USA:Wenn das Huhn den Fuchs bedroht

Baerbock in den USA: Annalena Baerbock: Mit großer Sorge beobachte man Moskaus Aktivitäten

Annalena Baerbock: Mit großer Sorge beobachte man Moskaus Aktivitäten

(Foto: Thomas Imo/photothek.net via www.imago-images.de/imago images/photothek)

Außenministerin Annalena Baerbock trifft in Washington ihren Kollegen Antony Blinken. Gemeinsam wollen sie Russland zum Dialog bewegen - und so die Krise mit der Ukraine entschärfen. Blinken bemüht dazu einen Vergleich aus dem Tierreich.

Von Paul-Anton Krüger, Washington

US-Außenminister Antony Blinken hat sich einen griffigen Vergleich zurechtgelegt, als er zusammen mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Benjamin-Franklin-Room im achten Stock des State Departement in Washington vor die Mikrofone tritt. Mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine sagt er, Moskaus Narrativ von einer Bedrohung durch Kiew erinnere an einen Fuchs, der behaupte, dass vom Hühnerstall eine derartige Gefahr ausgehe, dass er gar keine andere Wahl habe, als dort einzufallen.

Es gehe aber nicht nur um die Ukraine, sondern um grundlegende Prinzipien der internationalen Ordnung: etwa, dass Grenzen nicht durch Anwendung von Gewalt verändert werden dürften oder niemand das Recht habe, Staaten ihre Außenpolitik zu diktieren. Diese Prinzipien seien unumgänglich, um Frieden und Sicherheit aufrecht zu erhalten. Deswegen unterstütze man unverbrüchlich die Souveränität und territoriale Unverletzlichkeit der Ukraine.

Mit großer Sorge beobachte man Moskaus Aktivitäten, sagt dann auch Baerbock und bekräftigt, die gemeinsame Haltung der Europäer und der USA: Weitere russische Aggressionen gegen die Ukraine seien "mit einem klaren Preisschild" versehen. Eine neuerliche Verletzung der Souveränität der Ukraine durch Russland hätte "schwerwiegende Konsequenzen". Der einzige Weg aus dieser Krise gelinge, "und da sind wir uns sehr sehr einig, über den Dialog" und eine politische Lösung, sagt sie.

"Wenn es um Europa geht, wird nichts ohne Europa passieren"

An erster Stelle nennt sie Deutschlands Bemühungen, zusammen mit Frankreich das Normandie-Format wieder in Gang zu bringen. Dabei vermitteln Berlin und Paris zwischen Russland und der Ukraine und versuchen, eine vollständige Umsetzung des so genannten Minsker Abkommens voranzubringen, einem Friedensplan für den Donbass und die Region Luhansk im Südosten der Ukraine. Dazu gebe es verstärkt Bemühungen auch in der Nato und OSZE, die gemeinsame Botschaft "bestmöglich und koordiniert an den Mann und an die Frau zu bringen, insbesondere an Präsident Wladimir Putin".

Sie sei froh, dass die gemeinsamen Deeskalationsbemühungen nun dazu geführt hätten, dass Russland bereit sei, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Die enge Abstimmung über die nächsten Schritte sind ein Grund für ihre Tagesreise in die USA, derart heikle Themen lassen sich nicht am Telefon oder in Videokonferenzen diskutieren. Zugleich würde es Fragen nach Deutschlands Wertschätzung für die transatlantischen Beziehungen aufwerfen, würde sie nicht zuerst nach Washington reisen, bevor sie einen in der momentanen Lage wohl bald nötigen Besuch in Moskau bei ihrem Kollegen Sergej Lawrow absolviert.

Wie ernst es Russland ist mit den Gesprächen, dass muss sich allerdings erst noch zeigen. "Wir sind am Anfang eines Prozesses, um auszutesten, ob Diplomatie und Deeskalation Früchte tragen können", sagt Blinken. An diesem Donnerstag reist eine hochrangige deutsch-französische Delegation mit den Sicherheitsberatern von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Präsident Emmanuel Macron zu einem Treffen mit den russischen Kollegen nach Moskau. Am Freitag ist eine virtuelle Sondersitzung der Nato-Außenminister anberaumt. Am Montag folgen bilaterale Gespräche zwischen Russland und den USA in Genf über strategische Stabilität - ein Format, auf das sich US-Präsident Joe Biden und Putin bei ihrem Gipfel dort im Sommer geeinigt hatten.

"Wenn es um Europa geht, wird nichts ohne Europa passieren", bekräftigt Blinken - dabei gehe es nicht nur um Konsultation, sondern um Beteiligung, sagte er mit Blick auf die Sorgen, dass letztlich doch in bilateralen Verhandlungen mit dem Kreml die entscheidenden Fragen geregelt werden könnten. Und so tagt am Mittwoch erstmals seit 2019 wieder der Nato-Russland-Rat, am Donnerstag ist ein weiteres Treffen bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geplant.

Hauptsache Dialog

Die Erfolgsmarke für den Diplomatie-Marathon der kommenden Tage liegt relativ niedrig: Es geht darum, einen Dialog mit Russland in den verschiedensten Formaten wieder in Gang zu bringen. Wenn man sich also auf nächste Runden einigen könnte, wäre das schon etwas. Niemand erwartet rasche Einigungen oder Durchbrüche. Zu drastisch sind die Forderungen Russlands. Und zu weit liegen die Positionen auseinander, auch werden die westlichen Staaten und ihre Verbündeten etwa in der Ukraine ihre Kritik am russischen Verhalten vorbringen wollen.

Um allerdings überhaupt Fortschritte zu machen, sei Deeskalation erforderlich und nicht "eine Pistole, die auf den Kopf der Ukraine gerichtet ist". Ein Dialog mit langsamen Schritten zu mehr Transparenz würde die Gefahr einer weiteren Eskalation hin zu militärischen Auseinandersetzung zumindest verringern. Allerdings hat Russland schnelle Ergebnisse gefordert. Die Gefahr, dass Putin letztlich nur einen Vorwand sucht, um eine Invasion zu rechtfertigen, sieht man auch im Auswärtigen Amt. Allerdings auch keine besseren Alternativen, als es mit Gesprächen in einer Reihe von Formaten zu versuchen.

Unangenehme Fragen zu Nord Stream 2

In Washington bleibt Baerbock die Frage nach der umstrittenen russischen Gaspipeline Nord Stream 2 natürlich nicht erspart. Blinken bekräftigt einmal mehr die ablehnende Haltung der US-Regierung, weist aber auch darauf hin, dass "durch diese Pipeline noch kein Gas fließt". Anders als manche meinten, sei sie damit ein Druckmittel der Europäer gegenüber Russland - und nicht umgekehrt. Angesprochen auf Äußerungen von Bundeskanzler Scholz, dass es sich um ein rein privatwirtschaftliches Projekt handle und Berichte, dass er einen "bedingten Neustart" mit Russland anstrebe, muss nun Baerbock in Washington Interpretationshilfe leisten.

Man habe da "mit unterschiedlichen Worten dasselbe beschrieben", erläutert Baerbock und verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem festgehalten sei, dass "für energiepolitische Projekte das europäische Energierecht gilt". Deshalb habe auch die Bundesnetzagentur den Zertifizierungsprozess ausgesetzt. Zudem gelte weiter die gemeinsame Erklärung der Regierungen in Berlin und Washington aus dem Sommer, dass aggressive Handlungen Russlands weitreichende Folgen hätten - auch für Nord Stream 2. Mit dem Neuanfang sei lediglich gemeint, dass man auf die Situation reagieren müsse und nun alle Gesprächsformate mit Russland nutzen müsse, die eben zuletzt eben lange nicht genutzt worden sind. Das wird man in Washington mit Interesse vernommen haben.

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