Lieber mal einen Shitstorm riskieren als in der Debatte nicht vorkommen - diese Devise hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei der Botschafterkonferenz im September im Auswärtigen Amt sinngemäß ausgegeben für die Außendarstellung ihres Hauses und der deutschen Auslandsvertretungen. Das war natürlich nicht als Aufforderung gemeint, sondern vielmehr eine Aussage zur Fehlertoleranz. Diese Woche war es dann mal wieder so weit, dass das Bemühen, dem digitalen Zeitalter angemessen zu kommunizieren, dem Auswärtigen Amt auf die Füße fiel - und der Ministerin höchstselbst.
Zunächst kommentierte das Amt auf seinem englischsprachigen Twitter-Account den Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Südafrika. Der Eintrag lässt sich so zusammenfassen: Lawrow sei gekommen, um Lügen zu verbreiten, nicht um Leoparden zu sehen - eine Anspielung auf die Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Der Leopard war als Emoji abgebildet.
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Am Jahrestag der Schlacht von Stalingrad wirft der russische Präsident dem Westen Nazismus vor, gegen den man sich wehren werde. Die EU will neue Sanktionen erlassen.
Für die russische Propaganda ein gefundenes Fressen
Während der Tweet in westlichen Ländern viel Zuspruch fand, empfanden ihn etliche Menschen in Afrika als Zumutung. Die Sprecherin von Moussa Faki, dem Vorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), ätzte auf Twitter, "euer Boss", also Baerbock, habe in Äthiopien auch keine Tiere angeschaut, sondern den Sitz der Afrikanischen Union besucht. "Oder ist der Kontinent Afrika, seine Menschen und Tierwelt nur ein Witz für Sie?" Kleinlaut twitterte @GermanyDiplo zurück, man verstehe den Punkt und entschuldige sich, der Tweet sei keinesfalls beleidigend gemeint gewesen, man schätze die afrikanischen Partner und habe die deutschen Panzer gemeint.
Am Dienstag dann antwortete Baerbock in einer Fragerunde im Europarat in Straßburg auf die Vorhaltung des rechten britischen Tory-Abgeordneten Christopher Chope, was man denn tun könne, um sicherzustellen, dass die Deutschen nun endlich Panzer lieferten. Man solle nicht mit dem Finger aufeinander zeigen und Europa spalten, mahnte Baerbock, erkennbar genervt. Das Wichtigste sei, gemeinsam vorzugehen und sich nicht gegenseitig zu beschuldigen, denn "wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander".
Für die russische Propaganda war das ein gefundenes Fressen - die Beleidigungen im Staatsfernsehen, die wieder einmal Baerbock als Frau galten, sind so abstoßend, dass man sie nicht wiedergeben will. Allerdings fragten auch in Deutschland die Medien nach und Unionspolitiker forderten eine Klarstellung.
Baerbock ärgert sich über sich selbst
Russland führe einen brutalen Krieg gegen die Ukraine, das sei auch ein Krieg gegen die europäische Friedensordnung und das Völkerrecht, heißt es in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes. Baerbock habe betont, dass Europa gegen diesen Krieg zusammenhalten müsse. Das Völkerrecht sei eindeutig: Die Ukraine dabei zu unterstützen, ihr in der UN-Charta verbrieftes Recht zur Selbstverteidigung wahrzunehmen, "macht Deutschland nicht zu einer Konfliktpartei".
Das hatte am Mittwoch auch Kanzler Olaf Scholz im Bundestag klargestellt. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow dagegen sagte am Donnerstag, Russland betrachte Waffenlieferungen als "direkte Beteiligung" an dem Konflikt, den er nicht als "Krieg" bezeichnen mochte. Nun forderte das russische Außenministerium eine Erklärung der "widersprüchlichen Aussagen" von Scholz und Baerbock ein. Ihr unbedachter Satz dürfte die Ministerin, die sich über solche Aussetzer selbst massiv ärgert, noch ein paar Tage verfolgen.