Diplomatie:Baerbock: Deutsche China-Politik muss sich verändern

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Mit dem Zeitpunkt der Reise von Bundeskanzler Scholz nach China ist Außenministerin Baerbock offenbar nicht ganz einverstanden. (Foto: IMAGO/Florian Gaertner/IMAGO/photothek)

Die Außenministerin fordert Kanzler Scholz vor dessen Peking-Reise auf, die deutsche Haltung besonders bei drei Themen deutlich zu machen.

Von Paul-Anton Krüger, Taschkent

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, bei seiner Reise nach China deutlich zu machen, "dass die Frage von fairen Wettbewerbsbedingungen, dass die Frage von Menschenrechten und die Frage der Anerkennung des internationalen Rechts unsere Grundlage der internationalen Kooperation ist". Die Grünen-Politikerin äußerte sich am Dienstag bei einer Pressekonferenz in der usbekischen Hauptstadt Taschkent mit ihrem Kollegen Wladimir Norow.

Sie habe auch in dem Gespräch mit dem usbekischen Außenminister auf die neue Chinastrategie der Bundesregierung verwiesen, die das Auswärtige Amt derzeit federführend erarbeitet. Das politische System in China habe sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, deshalb müsse sich auch die deutsche Politik gegenüber Peking verändern.

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Baerbock verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem festgehalten sei, dass die Bunderegierung China als Partner in globalen Fragen betrachtet, von dem man sich nicht entkoppeln könne in einer globalisierten Welt. Zugleich sei China aber auch Wettbewerber "und in zunehmendem Maße systemischer Rivale", betonte Baerbock. Auf diesem strategischen Verständnis müsse die deutsche Chinapolitik fußen.

Gefragt nach dem Zeitpunkt der Reise von Scholz unmittelbar nach dem Volkskongress der Kommunistischen Partei Chinas (KP), sagte Baerbock, dies habe der Kanzler so entscheiden. Sie hatte zuletzt aber mehrmals erkennen lassen, dass sie die zeitliche Nähe als falsches Signal betrachtet. Jetzt sei entscheidend, die Botschaften, "die wir gemeinsam festgelegt haben im Koalitionsvertrag, die ich hier nach Zentralasien mitgebracht habe, auch in China deutlich zu machen".

Auf dem Treffen der KP hatte sich Staats- und Parteichef Xi Jinping für eine dritte Amtszeit bestätigen lassen und alle wichtigen Führungsgremien mit seinen Gefolgsleuten besetzt. Seinen Vorgänger Hu Jintao ließ er in einem Akt öffentlicher Demütigung offenkundig gegen dessen Willen aus dem Saal führen. Die Szene gilt als Symbol für die absoluten Machtbefugnisse, die sich Xi angeeignet hat.

Kritik von Menschenrechtsorganisationen

In Berlin kritisierten am Dienstag mehrere Menschenrechtsorganisationen ebenfalls den Zeitpunkt wie auch den Schwerpunkt der Kanzlerreise. Angesichts der Unterdrückung und Ausbeutung des uigurischen Volkes, der drohenden Annexion Taiwans und der diktatorischen Zustände nach der Wiederwahl Xi Jinpings sei keine Zeit für "business as usual" mit dem Regime in Peking, hieß es auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des Weltkongresses der Uiguren, des Instituts für Ökonomie und Ökumene sowie von Human Rights Watch. Deutschland-Direktor Wenzel Michalski warnte insbesondere vor wirtschaftlicher Erpressbarkeit einzelner EU-Staaten wie Griechenland oder Ungarn. China könne so die Einigkeit im Westen schwächen und das Demokratiemodell unterminieren.

Dolkun Isa, Präsident des Weltkongresses der Uiguren, forderte Scholz auf, von Xi Jinping die Schließung von Arbeits- und Umerziehungslagern in der uigurischen Provinz Xinjiang zu verlangen: "Die Zukunft unseres Volkes ist in Gefahr." Deutsche Unternehmen würden von der Zwangsarbeit von Tausenden Uiguren profitieren. Sabine Ferenschild, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ökonomie und Ökumene, forderte einen Importstopp für Produkte aus der Provinz Xinjiang.

Schwere Bedenken gegen Cosco-Deal

Das Bundeskabinett hatte vergangene Woche auf Druck des Bundeskanzleramts den Einstieg des chinesischen Reederei-Konzerns Cosco in ein Containerterminal im Hamburger Hafen genehmigt. Die Grünen und die FDP erreichten eine sogenannte Teiluntersagung, nach der Cosco maximal 24,9 Prozent an dem Unternehmen übernehmen darf und nicht wie angestrebt 35 Prozent.

Das Auswärtige Amt hatte in einer Protokollerklärung zur Kabinettsentscheidung schwere Bedenken zu der Entscheidung dokumentiert. Insgesamt hatten sich alle sechs beteiligten Ressorts ebenso wie die EU-Kommission gegen den Einstieg ausgesprochen. Scholz konnte seinen Vorschlag trotzdem durchsetzen, weil ohne eine Kabinettsbefassung der ursprüngliche Antrag von Cosco auf die Übernahme von 35 Prozent automatisch als genehmigt gegolten hätte.

Scholz wird an diesem Freitag in Peking erwartet; er reist in Begleitung einer großen Wirtschaftsdelegation. Der Bundeskanzler ist der erste Staats- und Regierungschef aus dem Westen, der Xi nach dem Parteikongress besucht.

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