Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Baerbock: Irans Sittenpolizei muss büßen

Die EU verhängt Sanktionen, Teheran droht im Gegenzug mit der Ausweisung von Diplomaten. Der Konflikt wird sich noch verschärfen, sollte Iran wirklich tödliche Drohnen an Russland liefern.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock war sichtlich aufgebracht, als sie am Montagmorgen in Luxemburg über die Zustände in Iran sprach. Die Europäische Union werde nicht akzeptieren, dass Menschen verprügelt und umgebracht werden, "weil sie so leben wollen wie wir", sagte Baerbock. Die Verantwortlichen für die Niederschlagung der Proteste gegen die iranische Regierung müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Bereits vor dem Treffen der Außenministerinnen und Außenminister in Luxemburg hatten sich die EU-Diplomaten auf ein Sanktionspaket verständigt. Es enthält Einreiseverbote und ermöglicht das Einfrieren von Konten. Die Ministerinnen und Minister verabschieden die Sanktionen wie erwartet. Betroffen sind mehr als ein Dutzend Organisationen und Personen, darunter die Sittenpolizei, die Basidsch-Milizen, die sogenannten Strafverfolgungskräfte sowie das Cyber-Abwehrkommando des Korps der Islamischen Revolutionsgarde.

Die Sittenpolizei hatte Mitte September die 22-jährige Mahsa Amini festgenommen, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht korrekt getragen hatte. Der folgende Tod Aminis, dessen Umstände noch ungeklärt sind, war Auslöser für die landesweiten Proteste. Weitere Sanktionspakete würden folgen, warnte Baerbock, sollte die iranische Regierung ihre Sicherheitskräfte nicht zur Mäßigung anhalten.

Borrell mahnte "maximale Transparenz" an

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte am Wochenende mit Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian telefoniert. Er mahnte dabei "maximale Transparenz" über den Brand im Evin-Gefängnis in Teheran an, bei dem am Wochenende nach iranischen Angaben mehrere Menschen starben. Das Gefängnis gilt als Ort, wo politische Gefangene gefoltert werden. Amirabdollahian warnte Borrell, Iran werde europäische Botschafter ausweisen, sollte die EU Sanktionen verhängen. Die Proteste seien keinesfalls so friedlich, wie sie im Westen dargestellt würden.

Eine Einigung über ein Atomabkommen mit Iran erscheint derzeit kaum vorstellbar. Auch Borrell zeigte sich in Luxemburg skeptisch. Der Konflikt zwischen Iran und der EU wird sich verschärfen, falls sich Berichte bestätigen, dass die Regierung in Teheran tatsächlich tödliche Drohnen an Russland liefert, die für Angriffe auf Kiew eingesetzt werden. Die Regierung in Teheran dementierte das zuletzt. Borrell sagt, die EU suche jetzt nach Beweisen. Sollte es die geben, wird die EU neue Sanktionen verhängen.

Bei der Sitzung in Luxemburg genehmigten die Ministerinnen und Minister eine neuerliche Finanzhilfe, um der Ukraine den Kauf von Waffen und militärischer Ausrüstung zu ermöglichen. Die 500 Millionen Euro stammen aus der "Europäischen Friedensfazilität". Es ist die mittlerweile sechste Tranche in dieser Höhe. Außerdem wurde in Luxemburg die EU-Ausbildungsmission für die Ukraine offiziell auf den Weg gebracht. Die Pläne sehen vor, dass 15 000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten in Deutschland und anderen EU-Ländern ausgebildet werden.

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen forderten vor dem Treffen in Luxemburg die Europäische Union auf, zusammen mit internationalen Partnern ein Sondertribunal wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine einzurichten. "Die EU muss handeln, um sicherzustellen, dass die Suche nach Gerechtigkeit und Rechenschaft für Russlands schreckliche Verbrechen in der Ukraine im Mittelpunkt unserer Politik steht", hieß es in einer Erklärung der Außenminister der drei EU- und Nato-Mitgliedsländer vom Sonntagabend.

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