Klimapolitik:Baerbock will globale Zielmarke für Erneuerbare

Klimapolitik: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beim Petersberger Klimadialog.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beim Petersberger Klimadialog.

(Foto: Metodi Popow/IMAGO)

Die Außenministerin schlägt bei einer internationalen Klimatagung in Berlin eine verbindliche Ausbauquote für umweltfreundliche Energien vor. "Wir wissen, dass wir nicht genug tun, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen." Eine Kurskorrektur sei nötig.

Von Dimitri Taube

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) strebt ein verbindliches globales Ziel für den Ausbau erneuerbarer Energien an. Das kündigte sie am Dienstag in Berlin zu Beginn des Petersberger Klimadialogs der Bundesregierung an. Bei dem zweitägigen Treffen möchte Baerbock nach eigenen Angaben eine Debatte darüber eröffnen, ob bei der nächsten Weltklimakonferenz im Herbst eine Zielmarke für die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energiequellen vereinbart werden könne. "Die Internationale Energiebehörde schätzt, dass wir die weltweiten Kapazitäten von erneuerbaren Energien verdreifachen müssen, sonst wird die Schmerzgrenze des Planeten von 1,5 Grad deutlich überschritten", sagte Baerbock.

Beim Petersberger Klimadialog treffen sich Ministerinnen und Minister aus etwa 40 Ländern, um über Klimaschutz zu beraten und die Weltklimakonferenz COP28 vorzubereiten. Diese beginnt Ende November im Emirat Dubai und dauert zwei Wochen. Baerbock sagte: "Wir wissen, dass wir nicht genug tun, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen." Auf der COP28 sei eine Kurskorrektur nötig.

Der designierte COP-Präsident, Sultan Ahmed al-Dschaber, bekannte sich in Berlin zum rapiden Ausbau erneuerbarer Energien weltweit. "Wir werden die Umsetzung beschleunigen in Bereichen wie den Erneuerbaren, die ihre Kapazität bis 2030 verdreifachen müssen und bis 2040 noch einmal verdoppeln", sagte der Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, der zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc ist.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte in einer Videobotschaft einen "weltweiten Quantensprung bei den Klimamaßnahmen". Die Temperaturen könnten bis Ende des Jahrhunderts um 2,8 Grad steigen, wenn die derzeitige Politik fortgeführt werde, warnte er. "Wir haben allzu lange weggeschaut", sagte er und appellierte an die Teilnehmer des Klimadialogs: "Handeln Sie bitte jetzt!" Die Abhängigkeit von fossilen Energien müsse man reduzieren. Alle Staaten müssten jetzt "in allergrößter Geschwindigkeit arbeiten". Die Industriestaaten forderte er auf, "gewaltige Finanzmittel" bereitzustellen. "Wir brauchen einen grünen Klimafonds", sagte er. Bis zum Ende der COP28 erwarte er von den G20, weitere Beiträge zuzusagen.

Die Industriestaaten hatten angekündigt, jährlich 100 Milliarden US-Dollar Klimahilfen für ärmere Länder zur Verfügung zu stellen, zahlen jedoch weniger als versprochen. Baerbock berichtete nun, dass am Montag ein Treffen von Geberländern mit Kanada organisiert worden sei, "um zu schauen, wie wir die Lücke endlich schließen können". Jetzt sei man auf einem Weg, "dass wir dieses Jahr endlich die Summe von 100 Milliarden US-Dollar erreichen können".

Baerbock: "Wir müssen mehrere Billionen mobilisieren."

Laut Baerbock reicht die Summe jedoch nicht aus. "Wir müssen mehrere Billionen mobilisieren", sagte sie. "Öffentliche Mittel allein werden diesen Bedarf nicht abdecken können, deswegen geht es darum, auch massiv private Mittel zu mobilisieren." Gemeinsam mit den USA setze sich Deutschland für Reformen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank ein. Man wolle Klimafinanzierung zum festen Bestandteil des Geschäftsmodells der Weltbank machen. Auf diese Weise sollen mehr grüne Investitionen möglich werden.

Baerbock kündigte zudem Gespräche zur Restrukturierung von Schulden ärmerer und von Klimafolgen besonders betroffener Länder an. Die Verschuldungskrise nehme gerade den Ländern die Luft zum Atmen, die Investitionen gegen die Klimakrise am nötigsten bräuchten, sagte sie. Alle Gläubiger weltweit seien in der Verantwortung.

Der Petersberger Klimadialog ist benannt nach dem ersten Tagungsort im Jahr 2010 in Königswinter bei Bonn, inzwischen findet die Veranstaltung in Berlin statt. Ausrichter sind dieses Jahr Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate, Gastgeber der COP28. An diesem Mittwoch ist eine Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Klimadialog geplant.

Kritik von Luisa Neubauer und Greenpeace

Außenministerin Baerbock erhofft sich von dem Treffen Lösungen. Der Petersberger Klimadialog sei keine normale Konferenz, bei der man sich am Ende auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einige, sondern eine Arbeitskonferenz, die diejenigen zusammenbringe, die wirklich etwas tun wollen, sagte sie.

Vor dem Klimadialog kritisierten Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Greenpeace, dass die COP28 von einem Top-Manager eines Ölkonzerns geleitet wird. Angesichts der COP-Präsidentschaft von Sultan al-Dschaber werde es schwer, die Integrität der Konferenz zu wahren, sagte Neubauer. Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace, Martin Kaiser, sprach von einem gefährlichen Präzedenzfall und einem beispiellosen Interessenkonflikt. "Das ist so, als ob das Umweltbundesamt vom Chef von VW geleitet würde", sagte er.

Al-Dschaber wiederum, der seit Monaten in aller Welt für die Konferenz trommelt, sprach von einem "informativen und konstruktiven Dialog" in Berlin. "Und ich werde gut zuhören."

Nach der dünnen Konferenz in Scharm el-Scheich im vergangenen November stehen in Dubai eine Reihe wichtiger Entscheidungen an. Erstmals sollen die Staaten dort eine Bilanz von Soll und Haben im Klimaschutz ziehen - inklusive der Verschärfung ihrer bisherigen Ziele. Der Fonds, aus dem künftig Schäden und Verluste in ärmeren Staaten beglichen werden sollen, braucht noch eine konkrete Gestalt, während die reichen Länder dringend ihre Milliarden-Zusagen für den Klimaschutz einhalten müssen. Es gehe nun erst einmal darum, Vertrauen zurückzugewinnen, sagte al-Dschaber. "Die Erwartungen sind hoch, das Vertrauen ist sehr gering."

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