Süddeutsche Zeitung

Badesaison:Alarm am Beckenrand

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In Freibädern mangelt es an Schwimmmeistern.

Von Susanne Höll

Endlich erreichen die Temperaturen wieder Werte über 20 Grad, viele Menschen strömen ans Wasser - doch immer häufiger sind die Freibäder geschlossen. Im mittelhessischen Wettenberg etwa musste der Start der Badesaison verschoben werden, weil Michael Törner erkrankte. Er ist Schwimmmeister aus Leidenschaft und leitet das Freibad seit 1980. In diesem Sommer aber kann er nicht am Beckenrand stehen. Die Gemeinde hat seine Stelle ausgeschrieben, doch die Personalsuche ist schwierig. Bundesweit fehlen Tausende Fachkräfte im Bäderbetrieb, jene Männer und Frauen, die dafür sorgen, dass das Wasser und die Wiesen sauber sind und Leben und Gesundheit der Gäste nicht gefährdet werden.

"Die personelle Lage ist katastrophal", sagt Peter Harzheim, Präsident des Bundesverbandes der Schwimmmeister. Harzheim ist ein eher fröhlicher Zeitgenosse, aber er ist in Alarmstimmung. Die Sicherheit in den Bädern ist, wenn man dem 63 Jahre alten Westfalen glaubt, bedroht. Es mangelt an Fachpersonal, seit Jahren schon. Und nun gehen auch noch die Mitarbeiter der Babyboomer-Generation in Rente - so wie Harzheim. Er steht seit den Siebzigerjahren am Pool, immer gern, wie er sagt. Das waren damals andere Zeiten. Neben der Lehrerin und dem Schupo war der Bademeister (Frauen gab es seinerzeit kaum in diesem Job) die unumstrittene Autorität des Lebens. Wenn der Herr am Sprungturm ein Machtwort sprach, folgte selbst der vorlauteste Halbstarke.

Heutzutage wollen junge Frauen und Männer eher selten Schwimmmeister werden. Das ist nicht überraschend: Die Bezahlung ist mäßig, man muss arbeiten, wenn andere frei haben. Im Bad ist man Lebensretter, Organisator und Chemiker, braucht gute Nerven im Umgang mit den Gästen, die sich im Lauf der Jahre verändert haben, nicht nur zum Besten.

Da sind die Eltern, die glauben, mit der Eintrittskarte eine All-inclusive-Betreuung für den Nachwuchs erworben zu haben, und ihre Kinder nicht mehr im Auge behalten. Da sind die Pensionisten, die ohne Rücksicht auf Herz und Blutdruck noch einmal das goldene Sportabzeichen erobern möchten. Und überall wuseln Jungen und Mädchen herum, die nicht richtig schwimmen können. Wenn einem von ihnen im Wasser etwas zustößt, steht der Schwimmmeister oder seine Kollegin womöglich vor dem Kadi. Dann müssen sie sich wehren gegen den Vorwurf fahrlässiger Tötung und werden, ganz egal wie das Urteil ausfällt, des Lebens nie wieder froh. Ein Traumberuf sieht wirklich anders aus.

Muss man sich also sorgen um die Sicherheit in den Bädern? "Wir müssen bangen, leider", sagt Harzheim. Aber er hofft, dass sich die Dinge zum Besseren wenden. Man müsse die Fachkräfte höher bezahlen, besser ausbilden, dafür sorgen, dass sich Job und Familie vereinbaren ließen. Das alles koste die Kommunen Geld, sicher. Städten und Gemeinden fällt es allerdings schon heute schwer, den Betrieb zu finanzieren. Viele Verbündete haben die Schwimmmeister deshalb nicht, mit Ausnahme der Gewerkschaft Verdi vielleicht und all jener Badegäste, die sich am Pool sicher fühlen möchten. Harzheim will deshalb Rabatz machen. "Wir müssen brüllen", sagt er.

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SZ vom 04.06.2019
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