Wahlkampf in Baden-Württemberg:Südwest-CDU im Tief

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Thomas Strobl (rechts) reagiert beim baden-württembergischen Landesparteitag auf seine Wiederwahl, neben ihm sein CDU-Parteikollege Guido Wolf. (Foto: Patrick Seeger/dpa)
  • Eine Umfrage zufolge liegt die CDU in Baden-Württemberg nur noch zehn Prozentpunkten vor den Grünen.
  • Viele in der Südwest-CDU glauben, das liege an Kanzlerin Merkels Flüchtlingspolitik.
  • CDU-Kandidat Guido Wolf erklärt an diesem Samstag seine Pläne für die Landtagswahl 2016. Er fordert unter anderem eine Begrenzung der Zuwanderung.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Ziemlich genau ein Jahr ist es nun her, dass die CDU-Basis in Baden-Württemberg ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2016 gekürt hat. Guido Wolf, der Landespolitiker, trug damals den Sieg über Thomas Strobl davon, der als Mann aus Berlin galt. Vier Monate vor dem Wahltag muss man nun anhand von Umfragen feststellen: Die CDU hat in dem Bundesland, das sie jahrzehntelang wie selbstverständlich regierte und als Machtbasis auch im Bund betrachtete, ein ernstes Kandidatenproblem. Und weniger ein Flüchtlingsproblem.

Laut einem Politbarometer-Extra der Forschungsgruppe Wahlen würden 58 Prozent der Befragten den grünen Amtsinhaber Winfried Kretschmann weiterhin als Ministerpräsidenten bevorzugen, nur 17 Prozent Wolf. Ähnlich drastisch fallen die Ergebnisse bei der Frage nach der Beliebtheit der beiden Kandidaten aus. Solch krasse Unterschiede zwischen einem Amtsinhaber und seinem Herausforderer messen Wahlforscher nur ganz selten.

Wiederwahl von Strobl mit fast 98 Prozent

Guido Wolf und Thomas Strobl (im Hintergrund) wollen die CDU in Baden-Württemberg bei der Landtagswahl zum Erfolg führen. Nach den Umfragen keine leichte Aufgabe. (Foto: Patrick Seger/dpa)

Die Umfrage dämpfte die Laune beim Landesparteitag der CDU in Rust, wo sich die Partei an diesem Wochenende auf die Wahlen am 13. März einstimmt. Eine von der Flüchtlingskrise verunsicherte Partei trifft sich dort, mit Mühe zusammengehalten von dem Tandem Strobl/Wolf. Als Unterstützung aus Berlin war Finanzminister Wolfgang Schäuble angereist, der mit seiner Kritik an Kanzlerin Merkel bei CDU-Funktionsträgern im Südwesten große Zustimmung fand. Der Flüchtlingszustrom als "Lawine": So sehen das viele in der Partei.

Schäuble allerdings hielt dann eine Rede, in der mehrmals die Wendung "Wir schaffen das" vorkam. Er schloss mit ausdrücklicher Unterstützung für Merkel.

Schäubles Schwiegersohn Thomas Strobl, Stellvertreter von Merkel im Bund, wurde zum Auftakt am Freitag als Landesvorsitzender mit fast 98 Prozent wiedergewählt. An diesem Samstag will Spitzenkandidat Wolf erklären, wie er die CDU nach der Niederlage bei der Wahl 2011 - der ersten überhaupt in diesem Bundesland - zurück an die Macht zu führen gedenkt. Das Amt des Ministerpräsidenten liegt für ihn natürlich weiterhin in Reichweite, ob in einer Koalition mit der SPD oder mit den Grünen. Aber auch, was die Beliebtheitswerte seiner Partei betrifft, fällt das Politbarometer zwiespältig aus.

Umfrage: Die meisten Wähler wünschen sich Rot-Grün

Mit ihrem Spitzenkandidaten Guido Wolf kann die CDU in Baden-Württemberg nicht punkten, auch die politische Gesamtleistung wird vom Wähler schlechter bewertet. Betrachtet man die einzelnen Politikfelder, wird der CDU hingegen in der Bildungs- und Wirtschaftspolitik mehr zugetraut als Grünen und SPD. Als wichtigste Probleme nennen die Wähler Flüchtlinge (72 Prozent) vor Schule (17 Prozent) und Terrorismus (10). SZ-Grafik; Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Foto: bawü_umfrage)

Die CDU läge, würde am Sonntag gewählt, mit 37 Prozent nur noch zehn Prozentpunkte vor den Grünen. Als beliebteste Koalition nennen die Befragten Grün-Rot. CDU und FDP haben keine eigene Mehrheit, eine solche Koalition wird mehrheitlich explizit abgelehnt. Sollte sich der Trend dieser Umfragen bis zur Wahl verfestigen, wird irgendwann die Frage auftauchen, ob Kretschmann nicht die Legitimation für eine Ampelkoalition mit SPD und FDP hat, sollte es für Grün-Rot nicht mehr reichen. Bislang treten die Liberalen eher als Beiboot der CDU in Erscheinung. Ihren Existenzkampf hart an der Fünf-Prozent-Grenze führen sie bislang vor allem mit harten Parolen zu innerer Sicherheit und Flüchtlingspolitik.

Ist es nun wirklich so, dass vor allem die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel den Wahlerfolg gefährdet, wie viele Funktionsträger in der Südwest-CDU glauben? Thomas Strobl räumte schon vor dem Parteitag "heftige Diskussionen" ein. Strobl und Wolf haben deshalb gemeinsam für den Parteitag einen Leitantrag formuliert, der den Titel trägt: "Verantwortung übernehmen. Zuwanderung begrenzen." Explizite Obergrenzen fordert die Südwest-CDU, anders als die CSU, nicht. Es ist allerdings kein großes Geheimnis, dass Strobl eher bremst und Wolf gern einen härteren Kurs einschlagen würde. Es ist schwer, ihm in dieser Frage ein Bekenntnis zur Kanzlerin zu entlocken.

Hohe Zustimmung für Asylpolitik der Grünen

Guido Wolf, der 40 Prozent plus x als Wahlziel ausgegeben hat, hat größte Mühe, sich im Vergleich zu Kretschmann zu profilieren. Er tourt unermüdlich durch das Land, meldet sich fast täglich mit Kritik an der Regierung zu Wort. Wofür er selbst steht, bleibt jedoch häufig unklar. Kretschmann dagegen besetzt die Rolle des Landesvaters in einer Art, wie es zuletzt seinem CDU-Vorgänger Erwin Teufel gelang. Er ist ausweislich der Umfragen einer der beliebtesten deutschen Ministerpräsidenten der vergangenen Jahrzehnte. Und gerade in der Flüchtlingskrise kommt er als grüner Verhandlungsführer bundesweit zur Geltung, Seite an Seite mit Kanzlerin Merkel. In der Asylpolitik genießen Kretschmanns Grüne wohl auch deshalb genauso hohe Zustimmung wie die CDU.

Ob für die Christdemokraten in der Flüchtlingsfrage gegen Kretschmann überhaupt etwas zu holen wäre, erscheint angesichts der Umfrage zweifelhaft. Denn die Baden-Württemberger sehen die Krise offenbar immer noch recht entspannt, entspannter als der Rest der Republik. Die AfD liegt lediglich bei sechs Prozent, weit unter dem Wert im Bund. Und 61 Prozent der Befragten antworten, zu den Flüchtlingen befragt: "Baden-Württemberg kann das verkraften." Wir schaffen das - auch die große Mehrheit der CDU-Anhänger ist genau dieser Meinung.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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