Baden-Württemberg:Stopp nach Hoppla-Hopp

Nach scharfer Kritik wollen die Parteien die neue Altersversorgung für Parlamentarier aussetzen. Zuvor hatte Kretschmann betont, er verstehe den Unmut der Bürger.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Er sei keineswegs der "König von Baden-Württemberg", sagte Winfried Kretschmann am Dienstagmittag. Auch wenn viele im Lande glaubten, er führte die Staatsgeschäfte allein, stehe er lediglich der Regierung vor. Im Sinne der Gewaltenteilung sei es Sache des Parlaments, über die Altersversorgung der Abgeordneten zu entscheiden. Nun darf spekuliert werden, wie sehr der ungekrönte König der Grünen im Hintergrund seinen Einfluss hatte spielen lassen. Jedenfalls setzte die grüne Fraktion gemeinsam mit CDU und SPD wenige Stunden nach Kretschmanns Pressekonferenz zur Vollbremsung an: Das erst am Freitag verabschiedete, umstrittene Gesetz zur Neuregelung der Abgeordnetenbezüge wird vorläufig ausgesetzt, die "Luxusrente", geflügeltes Wort mittlerweile in Baden-Württemberg, soll noch einmal überprüft werden.

Die Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz (Grüne), Wolfgang Reinhart (CDU) und Andreas Stoch (SPD) plädieren für die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission, die über das Gesetz befinden soll. Damit reagierten sie auf die erregte öffentliche Debatte. Innerhalb von drei Tagen hatten sie eine Rückkehr zum staatlichen Pensionssystem durchgepaukt. Begründung: Wegen der niedrigen Zinsen garantiere die private Vorsorge, vorgeschrieben seit der Parlamentsreform 2008, den Abgeordneten keine angemessene Alterssicherung.

Am Rande der Bundespräsidentenwahl hatten Kretschmann und seine Gefolgsleute am Sonntag offenbar einiges zu hören bekommen von den Parteifreunden im Bund. Die Grünen haben sieben Monate vor der Bundestagswahl genügend Probleme an der Backe - und nun noch der Pensions-Eklat im stärksten Landesverband. Zwei Gespräche hat Kretschmann dem Vernehmen nach mit seinem Fraktions-Vorsitzenden Schwarz geführt. Der Trend war offensichtlich: Das Thema muss schleunigst vom Tisch.

Kretschmann legt Wert darauf, er sei vergangene Woche nicht in die Reform eingebunden gewesen. Befasst war er aber sehr wohl mit der Vorgeschichte. Er führte 2008 die grüne Fraktion an, als der Landtag die Diäten um ein Drittel erhöhte, im Gegenzug aber die Parlamentarier verpflichtete, private Altersvorsorge zu betreiben. Durch die anhaltend niedrigen Zinsen hätten sich die Rahmenbedingungen geändert, sagt Kretschmann. "Aber im Kern war schon richtig, wie wir es damals gemacht haben." Ob er die Aufregung über die Hoppla-Hopp-Reform der Reform verstehen könne? "Natürlich."

Auch in den Parteizentralen von CDU und SPD gab es offenbar Proteste und so manche Drohung mit Parteiaustritt. Aber die Grünen, von denen sich viele als Hüter der politischen Moral verstehen, dürfte es am härtesten getroffen haben. Nun wird gerätselt, wie die Parlamentarier die Sprengkraft des Themas derart unterschätzen konnten. Die Fraktionsführung hätte dem Druck der jungen Abgeordneten nachgegeben, heißt es. Die beklagen eine Zweiklassen-Gesellschaft, denn Parlamentarier, die schon vor der Reform im Landtag saßen, durften im staatlichen Pensionssystem bleiben. Auch aus diesem Grund wolle er sich nicht als Lehrmeister aufspielen, sagte Kretschmann. "Ich bin Uralt-Abgeordneter, ich bekomme die Staatspension."

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