Baden-Württemberg:Rauswurf rechtens

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Ausgeschlossen: Stefan Räpple (sitzend) und Wolfgang Gedeon (Mitte). (Foto: Nico Pointner/dpa)

Nach einem Eklat wurden zwei Politiker der AfD vorübergehend aus dem Landtag ausgeschlossen. Dagegen haben sie geklagt - vergeblich.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Rauswurf zweier AfD-Politiker aus dem Stuttgarter Landtag bleibt ohne Konsequenzen - ihr zeitweiliger Ausschluss war keine Verletzung ihrer Abgeordnetenrechte. Das hat der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof entschieden. Das Gericht hat damit die Organklage von Stefan Räpple, Mitglied der AfD-Fraktion, sowie des fraktionslosen Wolfgang Gedeon abgewiesen, die nach einem Eklat am 12. Dezember vergangenen Jahres von der Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) des Saales verwiesen worden waren. Die Präsidentin habe die Ordnungsgewalt und verfüge bei deren Ausübung über einen gewissen Spielraum, der nicht gerichtlich überprüfbar sei.

An jenem 12. Dezember war es zunächst Räpple, der den Hinweis einer Fraktionskollegin auf die liberale Haltung der Jusos zum Schwangerschaftsabbruch mit dem Zwischenruf: "So sind sie, die roten Terroristen" kommentierte. Aras erteilte ihm daraufhin einen Ordnungsruf und drohte mit Sitzungsausschluss, sollte sich das wiederholen. Für den nächsten scharfen Ton in der Debatte sorgte allerdings nicht die AfD, sondern Hans-Ulrich Rülke von der FDP: Vor 80 Jahren hätten die Vorgänger der SPD-Abgeordneten im KZ gesessen, "und die geistigen Vorläufer von Leuten wie Herrn Räpple sind im Stechschritt durch das Brandenburger Tor marschiert". Räpple forderte nun einen Ordnungsruf gegen Rülke, die Präsidentin mahnte ihn zur Ruhe, aber Räpple trieb die Sache mit weiteren Zwischenrufen in die Eskalation. Nach einer weiteren Warnung schloss Aras ihn aus. Als er sich weigerte, den Saal zu verlassen, wurde der Ausschluss auf drei weitere Sitzungen erweitert. Auch Gedeon, der später das Verhalten der Präsidentin zu skandalisieren versuchte, ließ sich nicht durch Ordnungsrufe stoppen und verstieg sich - auf den türkischen Hintergrund von Aras anspielend - zu der Bemerkung: "So können Sie ein Parlament in Anatolien führen, aber nicht in Deutschland."

Nach den Worten des Verfassungsgerichtshofs gehört zum Status des Abgeordneten zwar grundsätzlich auch ihr Anwesenheits-, Rede- und Stimmrecht im Landtag. Diese Rechte könnten aber durch die "Ordnungsgewalt" der Präsidentin eingeschränkt werden. Mit dieser Ordnungsgewalt sollten die Rechte anderer Abgeordneter sowie die Funktionsfähigkeit des Parlaments insgesamt gewahrt werden - aber auch "das Ansehen und die Würde des Landtags". Gerügt werden können laut Gericht also auch Verstöße gegen "ungeschriebene, tradierte Regeln der Parlamentspraxis".

Das Gericht weist allerdings auch auf den neuralgischen Punkt solcher Ordnungsmaßnahmen hin. Sie seien "nicht das Mittel zur Ausschließung bestimmter inhaltlicher Positionen" einer Minderheit im Parlament. "Der Landtag ist gerade der Ort, an dem Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden sollen; dabei sind auch Stilmittel wie Überspitzung, Polarisierung, Vereinfachung oder Polemik zulässig." Wenn es aber nur noch um Provokation oder um die Herabwürdigung des politischen Gegners gehe, dann sei die Grenze zur Verletzung der parlamentarischen Ordnung erreicht. Die Präsidentin habe in diesen Fragen einen "Beurteilungs- und Ermessensspielraum", den das Gericht nicht überprüfen könne. Entscheidend seien nämlich auch Ablauf und Atmosphäre der Sitzung, die sich durch Protokolle und selbst durch Videoaufzeichnungen nur schwer nachvollziehen ließen. Bei Ordnungsmaßnahmen spiele auch die Erwägung eine Rolle, wie sich Eskalationen am besten verhindern ließen.

Das Urteil lässt der Landtagspräsidentin damit weitgehend freie Hand für einen strikten Kurs im Umgang mit Provokationen der AfD im Stuttgarter Landtag. Diese Maßstäbe sind fortan verbindlich - revidiert werden könnten sie nicht einmal vom Bundesverfassungsgericht. Für die Rechte der Landtagsabgeordneten ist allein der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof zuständig.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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