Baden-Württemberg:Menschliche Politiker

In Stuttgart haben sich die Grünen wieder alter Tugenden erinnert.

Von Detlef Esslinger

In einer seiner frühen, aber ewig gültigen Darbietungen zeichnete der Schweizer Kabarettist Emil Steinberger einst zwei Kreise, die sich überlappten. Den einen Kreis beschriftete er mit "Menschen", den anderen mit "Politiker", die Schnittmenge indes mit "menschliche Politiker". An diese Nummer konnte sich erinnern, wer nun das Vorhaben von Grünen, CDU und SPD im baden-württembergischen Landtag betrachtete. Die drei Parteien wollten bei der Altersversorgung der Abgeordneten vom Renten- auf ein Pensionssystem umsteigen.

Es sah aus wie der Versuch von Politikern, dem normalen Menschsein zu entkommen. Zur Begründung führten sie ausdrücklich die niedrigen Zinsen an, die derzeit zu mickrigen Renten führen. Als ob dies ein Spezialproblem von Abgeordneten wäre! Es gab eine Zeit in Stuttgart, da musste zumindest den Grünen niemand erst beibringen, dass Politiker sich lieber keinen Wein genehmigen sollten, während das Volk bloß Wasser erhält. Als der Landtag 2006 eine Erhöhung der Reisespesen für die Parlamentarier debattierte, lehnten die Grünen ab - unter Hinweis auf die Pendlerpauschale, die die Politik normalen Arbeitnehmern gekürzt hatte.

Nun haben es alle spät begriffen; aber immerhin. Es ist ja eine durchaus menschliche Eigenschaft: ausprobieren, womit man durchkommt. Dieser Hinweis rechtfertigt das Ding von Stuttgart zwar nicht. Vielleicht erklärt er es jedoch.

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