Baden-Württemberg:Grüne Suche nach Stabilität

Landtagswahlkampagne der Grünen Baden-Württemberg

Ministerpräsident Winfried Kretschmann kann vor seiner dritten Amtszeit prüfen, wer besser zu ihm und seiner grünen Partei passt.

(Foto: Marijan Murat/picture alliance/dpa)

Winfried Kretschmann kann sich seinen Koalitionspartner aussuchen. Die FDP gilt als Unsicherheitsfaktor, während die CDU sich annähert.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

In der grünen Parteizentrale gab es am Montag viel zu organisieren. Nun, da die Wahl gewonnen ist, müssen Gesprächstermine mit drei potenziellen Koalitionspartnern vereinbart werden. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist in der komfortablen Situation, dass er sich wohl aussuchen kann, ob er eine Ampelkoalition mit SPD und FDP bildet oder doch weiter mit der CDU regiert.

Wunschbündnis wäre eine Wiederauflage der grün-roten Koalition aus den Jahren 2011 bis 2016 gewesen. Dafür hat es aber ganz knapp nicht gereicht; Grüne und SPD kommen zusammen auf 77 Sitze, das entspricht genau der Hälfte des Parlaments.

Kretschmann hat seine Erwartungen an den künftigen Regierungspartner schon am Wahlabend formuliert: "Es gilt, den Klimawandel zu begrenzen, den Strukturwandel der Wirtschaft zu meistern und unsere liberale Demokratie zu verteidigen." Damit all dies gelinge, "brauchen wir eine verlässliche und stabile Regierung. Eine Regierung mit einem klaren Kompass, die die Weichen konsequent in die richtige Richtung stellt".

Beim Klimaschutz lehnt die FDP einige Maßnahmen der Grünen ab

Auffällig ist, dass auch der Co-Parteivorsitzende Oliver Hildenbrand am Montag von "Vertrauen und Verlässlichkeit" spricht, auf die es in der Koalition ankomme. Ob er dabei Verlässlichkeit an die Koalitionsverhandlungen von 2016 denkt? Damals hatten Grüne und CDU vereinbart, dass sie das Wahlrecht in Baden-Württemberg auf ein Zwei-Stimmen-System mit Listenkandidaten umstellen würden. Knapp zwei Jahre später weigerte sich die CDU-Fraktion dann plötzlich, diese Pläne umzusetzen, und blieb auch in den Böen eines heftigen Koalitionskrachs stur.

Noch in dieser Woche wird sich das grüne Sondierungsteam, das aus Kretschmann, Fraktionschef Andreas Schwarz und den beiden Parteivorsitzenden besteht, mit CDU, SPD und FDP treffen - in der Reihenfolge des Wahlergebnisses. Bei den Grünen rechnet man damit, dass es mehr als eine Gesprächsrunde geben wird, bevor es zu Koalitionsverhandlungen kommt.

Kretschmann dürfte großen Wert darauf legen, dass Konflikte künftig wieder am Kabinettstisch gelöst werden. Er will in seiner dritten Amtszeit keine Koalition führen, in der Ministerien permanent Informationen an die Presse durchstechen, um Druck auf die Gegenseite auszuüben - in den Monaten des Wahlkampfs war dies mehrmals geschehen.

Den SPD-Verhandlungsführer muss Kretschmann nicht lange beschnuppern. Fraktionsvorsitzender Andreas Stoch, 51, war Kultusminister in seinem ersten Kabinett. Auch inhaltlich sind die Überschneidungen mit der SPD am größten. Für eine mögliche Ampelkoalition gilt eher Hans-Ulrich Rülke als Unsicherheitsfaktor. Der Fraktionsvorsitzende der FDP, 59, langt rhetorisch gerne zu und lässt für eine gute Pointe auch mal fünf gerade sein. "Wer die grüne Politik wählt, der entscheidet sich für Verbote und Umerziehung!", hat er mal auf Facebook geschrieben und dazu ein "Grünen-Verbots-Bingo" gepostet, das nahelegt, dass die Partei Biertrinken in der Öffentlichkeit und Weihnachtsbäume generell abschaffen wolle.

Die FDP möchte das Erneuerbare-Wärme-Gesetz in Baden-Württemberg abschaffen und lehnt auch die geplante Pflicht ab, alle neuen Häuser mit Solarstromanlagen auszustatten. Beim Klimaschutz will Rülke lieber auf Anreize setzen als auf Vorschriften. Andererseits hält er die Besteuerung von Kohlendioxid für ein sinnvolles Instrument der Klimapolitik, was eine Gesprächsbasis sein könnte. 2016 hatte der FDP-Mann noch überhaupt kein Interesse an einer Ampel. "Der Vorrat an Gemeinsamkeiten" sei zu gering, teilte er Kretschmann damals mit. Inzwischen sieht er die Zeit für das Dreierbündnis gekommen. Lobend erwähnt er zum Beispiel, dass sich Kretschmann für eine Kaufprämie auch für Autos mit Verbrennungsmotoren ausgesprochen hat (sofern sie einer hohen Schadstoffklasse entsprechen).

CDU: "Klimaschutz ist uns genauso wichtig"

Mit der CDU war die Solarpflicht für Wohngebäude bisher ebenfalls nicht zu haben. Hildenbrand hat den Koalitionspartner beim Klimaschutz auch deshalb als "Bremsklotz" bezeichnet. Nun aber ist die CDU zu Zugeständnissen bereit. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Winfried Mack hat schon mal versichert, dass Kretschmann beim Klimaschutz keine Probleme mit der CDU haben werde. "Klimaschutz ist uns genauso wichtig." Die Partei ist nach ihrem Absturz auf 24 Prozent fest entschlossen, Halt in der Regierung zu suchen. Erst nach den Sondierungen will sie sich mit ihrem Wahldebakel auseinandersetzen. Vom Erfolg der Gespräche wird auch abhängen, wie es mit Parteichef Thomas Strobl weitergeht.

Für eine Ampel könnte aus grüner Sicht das etwas günstigere Kräfteverhältnis sprechen: Die CDU kommt im Landtag auf 42 Mandate, FDP und SPD zusammen nur auf 37.

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