Baden-Württemberg:Kretschmanns Optionen

Greens Party Campaigns In Stuttgart, Baden-Wuerttemberg

Sollte es für die Regierung aus Grünen und SPD in Baden-Württemberg nicht zur Wiederwahl reichen, dann lag es nicht am Ministerpräsidenten. Winfried Kretschmanns Beliebtheit ist kaum zu steigern.

(Foto: Getty Images)
  • Das grün-rote Regierungsbündnis in Baden-Württemberg hat sich Umfragen zufolge erholt. Doch ob es für eine Wiederauflage der Koalition reicht, ist ungewiss.
  • Sollte es nicht reichen, dürfte sich Ministerpräsident Kretschmann um eine Ampel-Koalition mit der FDP bemühen. Diese könnte allerdings an der SPD scheitern.
  • Vieles spräche dann für eine schwarz-grüne oder gar eine grün-schwarze Koalition.

Von Josef Kelnberger

Mitleid ist keine Währung im politischen Geschäft. Deshalb war der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid sicher nicht erfreut, als Ministerpräsident Winfried Kretschmann diese Woche im Fernsehen sagte: Die Sozialdemokraten hätten ihre schlechten Umfragewerte in keiner Weise verdient.

Zwischen zwölf und 16 Prozent pendelte die SPD in den vergangenen Tagen, Tendenz leicht steigend. Im Vergleich zu den 23 Prozent bei der Wahl 2011 deuteten diese Werte auf ein Desaster hin. Und doch wäre alles anders, sollte das Ergebnis für eine Wiederauflage der grün-roten Koalition reichen. Nils Schmid käme mit einem sehr blauen Auge davon.

In der Elefantenrunde des SWR am Donnerstagabend setzte Schmid das Glanzlicht, als er den aufdringlich belehrenden FDP-Kandidaten Hans-Ulrich Rülke in die Schranken wies: "Nehmen Sie den Finger da weg!" Die auf Totalkrawall angelegte Sendung gab der Opposition Gelegenheit, ihre Angriffspunkte aufzuzeigen: zu wenig Straßenbau, zu wenige Polizisten, Mängel der Gemeinschaftschulen. Gewinner des Gezänks war am ehesten die Partei der Nichtwähler. Schmid trug zumindest mehr als Kretschmann dazu bei, die Attacken abzuwehren. Ob es ihre letzte gemeinsame Schlacht war, ist noch nicht ausgemacht.

Landtagswahlen

Landtagswahlen Quelle: ZDF-Politbarometer Umfragen vom 10.3.

(Foto: SZ-Grafik)

Die Beliebtheit des Ministerpräsidenten ist kaum zu steigern

Lange hielt man es für ausgeschlossen, dass in einem Fünf-Parteien-Parlament mit der AfD eines der natürlichen Zweier-Bündnisse möglich sein würde. Doch während Schwarz-Gelb in den Umfragen immer weiter schrumpft, hat sich Grün-Rot erholt. Fast zwei Drittel der Befragten zeigen sich zufrieden mit der Landesregierung, ein Spitzenwert im Vergleich mit anderen Bundesländern. Die Beliebtheit des Ministerpräsidenten ist ohnehin kaum zu steigern.

Die Grünen werden Nils Schmid sehr pfleglich behandeln, sollte es zu Koalitionsverhandlungen kommen. Man will die wunden Seelen der Sozialdemokraten nicht noch reizen. Falls es nicht mehr reicht für Grün-Rot, wird die Regierungsbildung sehr kompliziert - am Ende aber vielleicht auch wieder sehr einfach.

Das eigentlich Unvorstellbare: Grün-Schwarz

Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident, wird versuchen, eine Ampelkoalition mit SPD und FDP zu bilden. Allerdings hat sich FDP-Kandidat Rülke derart an die CDU gekettet, dass er nur schwerlich von ihr loskommen wird.

Guido Wolf, der CDU-Herausforderer, wird versuchen, ein Bündnis mit FDP und SPD zu schmieden. Als Marketing-Erfolg dürfen Wolf und Rülke verbuchen, dass dieses im Politik-Jargon einst "Schwampel" genannte Konstrukt nun "Deutschland-Koalition" genannt wird: Schwarz-Rot-Gelb. Dass aber Nils Schmid - oder wer auch immer dann die SPD führen würde - der Basis so ein Bündnis verkaufen könnte, kann sich niemand vorstellen.

Dreier-Koalitionen bergen gehörige Sprengkraft, abgesehen davon, dass ein Einzug der von Bernd Riexinger geführten Linken in das Parlament die Lage ohnehin völlig verändern würde. Sollte Grün-Rot abgewählt werden, spricht deshalb vieles für Schwarz-Grün. Oder, sollten sich die Umfragen bestätigen, für das eigentlich Unvorstellbare: Grün-Schwarz.

Abschied vom Gottesgnadentum

Nach diesem Wahlkampf wird sich die CDU ohnehin von der Vorstellung verabschieden müssen, die Niederlage 2011 sei ein unverschuldeter Schicksalsschlag vor dem Hintergrund von Fukushima und Stuttgart 21 gewesen und die Macht in Stuttgart stehe ihr als jahrzehntelanger Regierungspartei von Gottes Gnaden zu. Wolf hat mit seinem Taktieren in der Flüchtlingsfrage ("zwischen Merkel und Seehofer") den Niedergang beschleunigt. Sein Machtkampf mit Landeschef Thomas Strobl war diese Woche auf offener Bühne eskaliert, als Strobl kurz offen ließ, ob Wolf an Koalitionsverhandlungen teilnehmen werde.

Es ist kein Geheimnis, dass Strobl, ein Stellvertreter von Angela Merkel, den Grünen zuneigt, auch um die eigene Partei programmatisch zu erneuern. Aber auch Wolf gilt, trotz seines verunglückten Wahlkampfs, bei führenden Grünen als ein im Kern moderner Christdemokrat. Die Rolle als Juniorpartner der Grünen wäre für die CDU natürlich schwer zu verkraften, andererseits erträglich in dem Wissen: Irgendwann wird Winfried Kretschmann, 67, der grüne Landesvater, der Wähler aus allen Lagern anzieht, ja doch in den Ruhestand gehen.

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