Baden-Württemberg:Kretschmanns klare Linie

Winfried Kretschmann

"Bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Möglichen" will Winfried Kretschmann (Grüne) beim Umgang mit Gefährdern gehen.

(Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Der grüne Ministerpräsident spricht sich für eine deutlich härtere Gangart gegen Gefährder aus.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Winfried Kretschmann (Grüne) ist kein Freund der Fragestunde, der er sich als baden-württembergischer Ministerpräsident jeden Dienstag zu stellen hat. "Hölzchen-und-Stöckchen-Runde" nannte er den Termin zu Beginn seiner Amtszeit, weil jedes beliebige Thema aufgerufen werden darf. Mittlerweile hat er mit der Tradition seinen Frieden geschlossen - umso bemerkenswerter, wie er an diesem Dienstag jede Stellungnahme zur eigenen Bundespartei verweigerte. Die Debatte um Parteichefin Simone Peter und ihre Kritik am Polizeieinsatz an Silvester in Köln, die neun Prozent für die Grünen in einer jüngsten Umfrage? "Man hätte besser ins Jahr starten können", sagte er, aber Ratschläge wolle er nicht geben. Und das Verhältnis zu seinem Erzrivalen Jürgen Trittin, der nach der Bundestagswahl 2017 noch einmal ein Ministeramt anstreben will? "Dazu", sagte er, "sage ich nichts."

Soviel steht jedenfalls fest nach Kretschmanns erstem Auftritt seit der Weihnachtspause: Kompromisse darf der linke Flügel seiner Partei im kommenden Bundestagswahlkampf von ihm nicht erwarten, zumindest nicht in der Sicherheitspolitik. "Meine Linie ist da ganz klar. Wir werden bei den Gefährdern bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Möglichen gehen, wenn das erforderlich ist", sagte Kretschmann zu möglichen Konsequenzen aus dem Terroranschlag von Berlin.

Im Detail habe sich seine grün-schwarze Regierung noch keine Meinung zu den Reformideen gebildet. Aber Kretschmann zeigte sich bereit für die Einführung einer elektronische Fußfesseln für "Gefährder", sofern sie ermittlungstaktisch sinnvoll sei; auch eine verlängerte Abschiebehaft für diese Gruppe will er nicht ausschließen. Im Übrigen sei er auch "im Prinzip offen" für die Ausweitung der DNA-Analyse zur Aufklärung von schweren Verbrechen. Sein Justizminister Guido Wolf (CDU) will der Polizei ermöglichen, künftig auch Augen-, Haar- und Hautfarbe aus DNA-Spuren zu lesen und zur Fahndung zu nutzen - eine Reaktion auf den Mord an einer Studentin in Freiburg, den mutmaßlich ein afghanischer Asylbewerber begangen hat.

Skeptisch ist Kretschmann, wenn es um den Umbau der Sicherheitsbehörden geht

Einem Umbau der Sicherheitsbehörden in Deutschland, wie ihn Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) fordert, steht Kretschmann skeptisch gegenüber. De Maizière hatte vorgeschlagen, die Verfassungsschutzämter der Länder aufzulösen und die Aufgaben dem Bund zuzuschlagen. Es gelte, "Vollzugsdefizite zu beheben und Gesetzeslücken zu schließen", sagte Kretschmann; dies sei nicht die Zeit für Strukturreformen, zumal Staaten, die ihre Sicherheitsbehörden zentralisiert hätten, in der Bekämpfung von Kriminalität nicht erfolgreicher seien. Dennoch soll Innenminister Thomas Strobl (CDU) die Vorschläge von de Maizière prüfen.

Die Linie seiner schwarz-grünen Koalition verteidigte Kretschmann auch bei der Frage, ob Algerien, Tunesien und Marokko im Asylverfahren zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden sollen. Er will im Bundesrat zustimmen und beharrt darauf, dieser Beschluss sei schon im Sommer 2016 gefasst worden; er habe nichts mit dem Anschlag von Berlin zu tun. Die Bundesregierung hat ihm in einer "Protokollerklärung" zugesagt, dass sich für religiöse Minderheiten und andere bedrängte Gruppen wie Journalisten und Homosexuelle in den drei Staaten nichts ändern werde. "Ein respektabler Kompromiss", wie Kretschmann findet, "dafür kann ich nur werben." Werben muss er bei den grünen Parteifreunden in anderen Landesregierungen, die das Gesetz im Bundesrat blockieren.

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