Biografie über Winfried KretschmannDer Erblasser

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Populär im Volk, weniger bei der Parteispitze: Winfried Kretschmann macht gern sein Ding in Baden-Württemberg.
Populär im Volk, weniger bei der Parteispitze: Winfried Kretschmann macht gern sein Ding in Baden-Württemberg. (Foto: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa)
  • Winfried Kretschmann, seit 2011 weltweit erster grüner Ministerpräsident, wird bei der Landtagswahl am 8. März 2026 nicht mehr antreten.
  • Die SWR-Journalistin Dagmar Seitzer hat seine einzigartige Karriere nachgezeichnet. Sie beschreibt Kretschmann als durchweg pragmatischen, aber auch prinzipienfesten Politikers, der sich im Zweifel mehr am Willen einer breiten Wählerschaft und auch der Wirtschaft orientiert als am grünen Parteiprogramm.
  • Auch die Favoriten um seine Nachfolge kommen zu Wort, der Grünen-Politiker Cem Özdemir und der CDU-Politiker Manuel Hagel. Beide versprechen, das bei ihnen das politische Erbe von Kretschmann in guten Händen sein werde.
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Die Journalistin Dagmar Seitzer hat ein Buch über Winfried Kretschmann geschrieben, den bisher ersten und einzigen grünen Ministerpräsidenten. Auch die Aspiranten auf seine Nachfolge kommen zu Wort. Beide versprechen etwas.

Rezension von Roland Muschel

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, seit 2011 der weltweit erste und bislang einzige grüne Regierungschef, erklärt gerne, dass er noch nicht im Abschiedsmodus sei. Dabei verdichten sich die Hinweise, dass die Abenddämmerung seiner Amtszeit längst eingesetzt hat.

Erstes Indiz: Die CDU, die Kretschmanns Popularität irgendwann nur noch resignativ zur Kenntnis nahm, bereitet nun sehr offensiv und selbstbewusst die Rückkehr in die Villa Reitzenstein vor, den Amtssitz des Ministerpräsidenten.

Zweites Indiz: Auf dem Buchmarkt konkurrieren aktuell gleich zwei Werke um die geneigte Kretschmann-Leserschaft, mit ganz unterschiedlichen Zuschnitten. Eines hat der Grünen-Politiker selbst verfasst. Es dreht sich um seine Lieblingsphilosophin Hannah Arendt, und darum, wie ihr Denken sein Regierungshandeln beeinflusst. Man kann es auch als Kretschmanns politisches Vermächtnis lesen. Das andere hat die SWR-Journalistin Dagmar Seitzer geschrieben, es ist eine klassische Biografie eines nicht ganz so klassischen Politikers mit vielen Details und Nähe zum Protagonisten.

Der 8. März 2026 rückt näher – und eine Ära wird enden

Auch wenn Kretschmann es noch beiseite drücken will, hat das alles natürlich mit einem Termin zu tun, der unweigerlich näher rückt: die Landtagswahl am 8. März 2026, bei der Kretschmann nicht mehr antreten wird. Es endet dann etwas, was Seitzer im Klappentext schon jetzt als „eine Ära“ bezeichnet.

Ihre Biografie handelt sehr gewissenhaft die biografischen und politischen Stationen seiner Karriere ab. Seine Verirrungen in den Maoismus als junger Student, die Anfänge bei den Grünen, den Einzug in den Stuttgarter Landtag, die nicht gerade vergnügungssteuerpflichtigen Lehrjahre beim damaligen hessischen Umweltminister Joschka Fischer, den überraschenden Wahlsieg 2011, die erste Amtszeit an der Seite der SPD, das Bündnis mit der CDU, die Kurzzeithoffnung auf das Amt des Bundespräsidenten, die ziemlich anstrengende Beziehung zu seinem „Laden“, der grünen Partei. Das Buch zeichnet das Bild eines durchweg pragmatischen, aber auch prinzipienfesten Politikers, der sich im Zweifel mehr am Willen einer breiten Wählerschaft und auch an der Wirtschaft orientiert als am grünen Parteiprogramm. Früh forderte er etwa eine Begrenzung der „irregulären Migration“, weil sonst das Asylrecht ausgehöhlt werde. Das fördert seine Popularität in der Bevölkerung, aber nur sehr bedingt sein Standing in der eigenen Bundespartei.

Cem Özdemir und Manuel Hagel sprachen mit der Autorin

Nun sind die relevanten Wegmarken Kretschmann-Kennern durchaus vertraut. Wirklich interessant wird das Buch an zwei anderen Stellen. Da, wo die Autorin das nicht durchweg spannungsfreie Verhältnis von Kretschmann, 77, zu Cem Özdemir, 59, ausleuchtet, seinem möglichen Nachfolger aus der eigenen Partei. Und da, wo sie Manuel Hagel zu Wort kommen lässt, den anderen möglichen Nachfolger von der CDU.

Dagmar Seitzer: Winfried Kretschmann. Im Herzen grün – Die Biografie. Rowohlt Verlag, Hamburg 2025. 288 Seiten, 26 Euro. E-Book: 21,99 Euro.
Dagmar Seitzer: Winfried Kretschmann. Im Herzen grün – Die Biografie. Rowohlt Verlag, Hamburg 2025. 288 Seiten, 26 Euro. E-Book: 21,99 Euro. (Foto: Rowohlt)

Denn Özdemir kandidiert 2026 zwar mit ausdrücklicher Unterstützung von Winfried Kretschmann, der Ältere hatte den 18 Jahre jüngeren Landsmann mit türkischen Wurzeln auch schon früher protegiert. Aber als Kretschmann 2011 in Stuttgart Regierungschef wird, ist Özdemir in Berlin Ko-Bundesvorsitzender der Grünen – und es wird auf einmal kompliziert. „Kretschmann erwartet immer, dass ich als Bundesvorsitzender zaubere und die Delegierten auf seine Linie bringe“, wird Özdemir im Buch zitiert. Dabei wisse Kretschmann doch selbst, wie man Mehrheiten auf Parteitagen organisiert. Aber das, so Özdemir weiter, habe Kretschmann einfach nicht interessiert. Dabei sei es doch so: Parteien beschließen die Programme und wählen die Vorstände – daraus folgt anschließend dein Spielraum als Regierungschef.

So sieht es Özdemir, und da er sich in dieser Offenheit zitieren lässt, kann man die Passage auch als Versprechen an die eigene Partei verstehen, sich im Erfolgsfall mehr um sie zu kümmern, als es Kretschmann getan hat.

Erst nachdem Özdemir den Bundesvorsitz abgibt, bessert sich das Verhältnis wieder. Kretschmann setzt sich sehr dafür ein, dass Özdemir 2021 Minister in der Berliner Ampelregierung und vier Jahre später in Stuttgart der grüne Kandidat für seine Nachfolge wird. Aber da ist auch Manuel Hagel, der Kandidat der CDU, die alle Umfragen mit großem Vorsprung anführt. Er steuert im Buch eine Eloge auf die „historische Figur“ Kretschmann bei, die man zugleich als Bewerbung in eigener Sache interpretieren darf: „Er ist ein konservativer Grüner, ich ein ökologischer Konservativer.“

Da streiten zwei also nicht nur darum, Kretschmann im Amt nachzufolgen. Sie versprechen zugleich, sein politisches Erbe weiterzuführen. Bei den Grünen auf Bundesebene hat Kretschmann trotz aller Erfolge nie eine entscheidende Rolle gespielt, in Baden-Württemberg aber ist er zum politischen Fixpunkt geworden.

So gesehen müsste ihm der näher rückende Abschied eigentlich gar nicht so schwerfallen.

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Baden-Württemberg
:Der Kampf um das Erbe von Winfried Kretschmann

In gut neun Monaten wählen die Baden-Württemberger – es wird ein erster Stimmungstest für Kanzler Merz. Manuel Hagel von der CDU geht als Favorit ins Rennen, muss aber einen Spagat bestehen.

Von Max Ferstl und Roland Muschel

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