Wachstum:Panzer statt Porsche

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Was in Stuttgart-Zuffenhausen hergestellt wird, ist nicht zu übersehen: Das 24 Meter hohe Kunstwerk im Kreisverkehr vor der Porsche-Zentrale wurde 2015 eingeweiht. (Foto: Arnulf Hettrich/imago)

„Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben“, lautet das wirtschaftspolitische Mantra der Südwest-Grünen. Nun kommt Olivgrün als Farbschattierung dazu.

Von Roland Muschel, Stuttgart

An schlechten Nachrichten mangelt es im Autoland Baden-Württemberg nicht. Die Stuttgarter Hersteller Mercedes-Benz und Porsche verkauften 2024 in China, dem weltweit wichtigsten Markt, weniger Autos als im Vorjahr. Zulieferer wie Bosch oder ZF Friedrichshafen kündigten Stellenstreichungen an. 2025 droht Baden-Württemberg das dritte Rezessionsjahr in Folge.

Die starke Stellung der Autoindustrie war in besseren Zeiten ein Wohlstandsgarant. Nun ist sie ein Problem, und die Politik sucht nach Lösungen. Die grüne Regierungspartei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann setzte bislang vor allem auf die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, das Versprechen, Wachstum und Wohlstand mit nachhaltigen Produkten zu sichern. „Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben“ lautet das wirtschaftspolitische Mantra der Südwest-Grünen. Nun aber könnte der Slogan um die Farbschattierung Olivgrün erweitert werden.

Denn Kretschmanns Partei zeigt sich zugänglich für eine Anregung, die der Ökonom Achim Wambach als Gast auf der jüngsten Klausurtagung der Grünen-Landtagsfraktion vorbrachte:  Baden-Württemberg solle künftig auch auf die Verteidigungsindustrie als Innovations- und Wachstumsmotor setzen. „Diesen Ansatz sollten wir aufgreifen“, sagt der Fraktionschef Andreas Schwarz.

Robert Habeck hat sich für einen deutlichen Anstieg der Verteidigungsausgaben ausgesprochen

Die Hoffnung auf olivgrünes Wachstum entfernt die Partei einerseits maximal von ihren pazifistischen Wurzeln, von den Anfangsjahren, als Rüstungsunternehmen noch mit Verve als Kriegsindustrie geschmäht wurden. Andererseits ist die wirtschaftspolitische Neuausrichtung durchaus konsequent. Schließlich sind es heute Grünen-Politiker, die mit am lautesten nach Waffen für die Ukraine rufen. Gerade erst hat sich Robert Habeck, der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, für eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgesprochen. Der künftige US-Präsident Donald Trump forderte die Europäer sogar auf, fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben.

Die Ausgaben dürften jedenfalls steigen, und der Ökonom Wambach sieht Baden-Württemberg gut gerüstet, davon zu profitieren. „Das Land hat bereits eine solide Verteidigungsindustrie“, sagt der Präsident des Mannheimer Forschungsinstituts ZEW. Zudem sei es führend im Maschinenbau, im Automobilsektor, in der Elektrotechnik – alles Sektoren, die Überschneidungen mit der Verteidigungsindustrie haben. Der Landespolitik rät er daher, „nicht nur strategische Dialoge mit der Automobilindustrie, sondern auch mit der Verteidigungsindustrie“ zu führen.

Zu den bekannteren baden-württembergischen Rüstungsfirmen zählt Heckler & Koch, der Hersteller von Handfeuerwaffen. In Baden-Württemberg werden aber auch Motoren für Kriegsschiffe und Militärfahrzeuge, Beobachtungssatelliten oder Lenkflugkörper hergestellt. Häufig sind die über das ganze Land verstreuten Unternehmen im zivilen und im militärischen Bereich tätig und bauen etwa Motoren für Nutz- wie Kriegsfahrzeuge. Daher fehlen valide Zahlen zum Gesamtumsatz. Das Stuttgarter Wirtschaftsressort schätzt die Zahl der direkt und indirekt Beschäftigten in der Verteidigungsindustrie im Südwesten auf 42 000. Tendenz: steigend.

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