Baden-Württemberg:Der nächste Neustart

Landesparteitag der SPD Baden-Württemberg

Mit exakt acht Stimmen Vorsprung hat sich Andreas Stoch, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stuttgarter Landtag, gegen den Konkurrenten um den Vorsitz des Landespartei durchgesetzt.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Die Südwest-SPD wählt Andreas Stoch knapp zu ihrem neuen Chef. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion hat nun eine große Aufgabe vor sich.

Von Stefan Mayr, Sindelfingen

Auf dem Tisch jedes Delegierten lag ein Müsliriegel mit dem wuchtigen Namen "Energiebombe". Das passt zum Zustand der SPD Baden-Württemberg, sie kann jede neue Kraftquelle gut gebrauchen angesichts schlechter Umfragewerte, interner Streitigkeiten und eines heftigen Streits mit der Parteispitze um die Bundesliste für die Europawahl im Mai. Auf ihrem Parteitag in Sindelfingen krempelte die Südwest-SPD nach langem Hin und Her am Samstag ihr Führungsteam komplett um, nun soll Landtagsfraktionschef Andreas Stoch den Landesverband aus der Krise führen.

In den Reden der Delegierten dominierten zwei Themen: Die "Lagerkämpfe", die den Landesverband "seit Jahren lähmen", und die "Frechheit" des Bundesvorstands, die verdienten baden-württembergischen Europa-Abgeordneten Peter Simon und Evelyne Gebhardt auf aussichtslose Listenplätze einzuordnen. Zusätzlichen Unmut löste Parteichefin Andrea Nahles aus, indem sie ihr Kommen kurzfristig absagte. Begründet wurde dies mit einer Bronchitis, dennoch artikulierten viele Delegierte ihre Wut gegen die Bundespartei.

Der neue Landeschef Andreas Stoch kritisierte das Vorgehen der Parteispitze scharf: "Diese Wahlliste ist ein Affront." Gebhardt, 64, ist Vizepräsidentin des Europaparlaments, Simon, 51, ist als Finanzpolitiker parteiübergreifend anerkannt. "Wir werden da ein sehr ernstes Wort mit der Bundesspitze sprechen", kündigt Stoch an.

Der Neuwahl des Südwest-Landeschefs war ein tagelanges Chaos vorausgegangen: Zunächst hatten sich die bisherige Vorsitzende Leni Breymaier und ihr Herausforderer Lars Castellucci einer Mitgliederbefragung gestellt. Diese brachte aber keine Klarheit, sondern zusätzliches Konfliktpotenzial: Breymaier gewann zwar mit 39 Stimmen Mehrheit, doch der erhoffte Vertrauensbeweis war das nicht. Breymaier verzichtete auf eine weitere Kandidatur - ganz im Gegensatz zum Umfrage-Verlierer Castellucci. Daraufhin stellte sich kurzfristig noch Andreas Stoch zur Wahl. Er gewann die Kampfabstimmung sehr knapp mit 50,64 Prozent, sein Vorsprung betrug exakt acht Stimmen.

In seiner kämpferischen Bewerbungsrede hatte er die Südwest-SPD als "Scherbenhaufen" bezeichnet. "Irgendwann haben wir den Respekt vor den Leuten in der eigenen Partei verloren, das muss aufhören", rief er. Stoch forderte ein Ende der Streitereien und eine Rückkehr zur Sachpolitik. Dabei kündigte er ein Volksbegehren zur Gebührenfreiheit von Kindergärten und Tagesstätten an.

Mit der Neuwahl versucht die SPD Baden-Württemberg eine Art Neu-Neuanfang. Erst 2016 hatten die Parteilinke Leni Breymaier und ihre Generalsekretärin Luisa Boos die Führung übernommen, nachdem die SPD bei der Landtagswahl mit 12,7 Prozent der Stimmen aus der Regierung geflogen war. Beiden Frauen wurde das Leben parteiintern nicht leicht gemacht, immer wieder seien ihnen vom anderen Parteiflügel Steine in den Weg gelegt worden, bestätigte Andreas Stoch. Der 49-jährige Heidenheimer gilt als keinem Lager zugehörig, deshalb wurde er auch zur Kandidatur gedrängt. Als Kultusminister hat er sich zwischen 2013 und 2016 als Krisenmanager bewährt, indem er die Einführung der Gemeinschaftsschule vor dem drohenden Scheitern bewahrte.

Nun muss Stoch mit dem neuen Generalsekretär Sascha Binder die zerstrittenen Parteiflügel vereinen und auf der Europawahlliste "retten, was zu retten ist", wie er es ausdrückt. Ganz nebenbei gilt es, die Landtagswahl 2021 vorzubereiten. Stoch ist nun Favorit auf die Spitzenkandidatur. Sollte er die Trendwende nicht schaffen, kommt es danach wohl zum nächsten Neustart.

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