Baden-Württemberg:Blick nach rechts

Im Stuttgarter Landtag startet erneut ein NSU-Untersuchungsausschuss. Diesmal ist auch die AfD dabei. Sie will lieber über Linksextremismus reden.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Der Politikwissenschaftler Thomas Grumke gilt als Experte in Sachen Rechtsextremismus, sein Spezialgebiet ist der Ku-Klux-Klan. Deshalb hatte ihn der NSU-Untersuchungsausschuss für diesen Montag als Zeugen geladen. Die Abgeordnete Christina Baum von der AfD stellte Grumke nur eine Frage, aber die war sehr speziell: "Wie schätzen Sie die Gefahren durch den Linksextremismus ein?"

Zum zweiten Mal hat der Landtag einen Ausschuss eingesetzt, der die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds im besonderen Hinblick auf Baden-Württemberg untersuchen soll. Das Gremium konnte in der vergangenen Legislaturperiode einige Ermittlungsfehler aufdecken und einige Mythen entzaubern, aber keine wesentlichen Erkenntnisse liefern. Im zweiten Anlauf sollen offen gebliebene Themen abgearbeitet werden, etwa die Bezüge des NSU zum Ku-Klux-Klan. Manche Fragen wirken vertraut, wieder führt Wolfgang Drexler von der SPD den Vorsitz. Und doch hat sich das Klima im Umgang mit dem NSU-Komplex gewandelt. Denn die AfD, seit März im Parlament, ist entschlossen, den Scheinwerfer von rechts nach links zu schwenken. Sie fühlt sich als Opfer von linksextremistischen Anschlägen.

Die zwei AfD-Fraktionen haben einen Untersuchungsausschusses zum Linksextremismus beantragt

Die AfD-Fraktion und das Spaltprodukt ABW, entstanden im Streit um einen offenkundig antisemitischen Abgeordneten, haben die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema Linksextremismus beantragt. Sie wollen die bereits vereinbarte Wiedervereinigung offenbar erst umsetzen, wenn der Ausschuss vom Parlament abgesegnet ist. Die AfD verfügt nicht über die erforderliche Zahl von Abgeordneten, um den Ausschuss allein durchzusetzen. Kommt der Antrag von zwei Fraktionen, spielt die Zahl der Mitglieder laut Geschäftsordnung keine Rolle. Parlamentspräsidentin Muhterem Aras hat AfD und ABW aufgefordert, ihren Status schnell zu klären, doch dem widersetzen sich die beiden Lager - obwohl sie bereits Parteichef Jörg Meuthen zum alten und neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt haben.

An diesem Dienstag wird sich das Landtagspräsidium mit dem Fall beschäftigen, in der kommenden Woche steht der AfD-ABW-Antrag auf der Agenda des Plenums. Grüne, CDU, SPD und FDP werden wohl erst ein Gutachten einholen, um auf Zeit zu spielen. Am Ende wird möglicherweise der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof klären müssen, ob die AfD ihre Spaltung missbräuchlich nutzt.

In den NSU-Ausschuss, der Morde an neun Migranten und einer Polizistin untersucht, hat die AfD eine ihrer umstrittensten Abgeordneten geschickt. Christina Baum wirft den Grünen in der Flüchtlingsfrage einen "schleichenden Genozid am deutschen Volk" vor. Die Wahl von Muhterem Aras zur Parlamentspräsidenten wertete sie als Beleg für eine "Islamisierung" Deutschlands. SPD-Mann Drexler verweigerte ihr wegen solcher Aussagen zu Beginn der Legislaturperiode den Handschlag. Als Ausschussvorsitzender ließ er am Montag ihre Frage nicht zu: Sie gehöre nicht zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses.

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