Baden-Württemberg:Alles verboten!

Der Puff ist zu: Wie Baden-Württemberg versucht, die heile Welt mit Paragraphen zu retten - und eine Politik macht, in der ein Verbot nicht mehr als das letzte Mittel gilt, sondern als das erste.

Bernd Dörries

Einmal wurde es selbst dem Justizminister zu viel. Er sprach von einer "Verbieteritis" des Staates, von ständig neuen Gesetzen und Verboten, welche die Freiheit des Bürgers immer weiter einschränken würden: So könne es nicht weitergehen. Doch dann entdeckte der baden-württembergische FDP-Minister Ulrich Goll, dass in seinem Wahlkreis Waiblingen ein Flatrate-Bordell eröffnet hat und wünschte ein sofortiges Verbot. Die Polizei, die davor nichts zu beanstanden hatte, fand nun einen dreckigen Whirlpool und schloss die Einrichtung. Der Puff ist zu, die Welt wieder in Ordnung.

Baden-Württemberg: Der Club ist zu - wegen einer Lapalie.

Der Club ist zu - wegen einer Lapalie.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie in Baden-Württemberg derzeit Politik gemacht wird. Es ist eine Politik, die das, was ihr nicht gefällt, einfach zu verbieten versucht. Ein Verbot gilt nicht mehr als das letzte Mittel, sondern als das erste. Es ist gar nicht mehr so leicht, den Überblick zu behalten, was man alles nicht machen soll im Südwesten: Von 22 Uhr an kann man an Tankstellen und in Supermärkten künftig keinen Alkohol mehr kaufen.

Mehrere Städte versuchen, das öffentliche Trinken von Alkohol in der Innenstadt zu unterbinden. Es laufen Polizisten herum, die Teststreifen in Sprudelflaschen stecken, um zu sehen, ob da nicht Wodka drin ist. Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Feinstaub-Fahrverbote. Im Norden störte sich kaum jemand an den Flatrate-Bordellen, hier sind sie geschlossen worden.

Baden-Württemberg ist eigentlich ein Land mit langer liberaler Tradition, nach dem Krieg stellten die Liberalen in Württemberg acht Jahre den Ministerpräsidenten. Als Günther Oettinger vor fünf Jahren Erwin Teufel ablöste, versprach er, die CDU weltoffener zu machen. Davon ist nichts mehr zu spüren. Im Südwesten ist die CDU gegen Heroinabgabe und gegen Adoptionen für Homo-Paare. Die Koalitionsregierung klammert sich an die Vorstellung, Baden-Württemberg sei eine Insel, wo die Leute nicht auf der Straße stehen, sondern beim Daimler am Band. Doch die Krise ist auch hier angekommen. Und die Politik kann wenig tun, wenn ein Maschinenbauer Leute entlässt.

Den Länderparlamenten und den Regierungen ist in jüngerer Zeit viel Gestaltungsspielraum verlorengegangen. Die Kompetenz des Verbietens aber ist geblieben. Und nun tut das Land so, als hätte es schnelle Antworten auf die Veränderungen der Zeit. Man kann nicht verbieten, dass Immigranten sich abschotten, wohl aber das Kopftuch in den Schulen - damit beschäftigte die damalige Kultusministerin Annette Schavan die Gerichte und den Landtag über Jahre hinweg.

Mit Abstand betrachtet, war das eine abenteuerliche Diskussion, die nie mehr als fünf Lehrerinnen betraf. Vor ein paar Tagen hat der Verwaltungsgerichtshof eines der Verbote aufgehoben: In Freiburg darf wieder öffentlich Alkohol getrunken werden. Die Richter mahnten die Politik, stärker dem Freiheitsgedanken Rechnung zu tragen. Sie redeten fast so wie einst der Justizminister.

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