Süddeutsche Zeitung

Baden-Württemberg:AfD bricht auseinander

Im Streit über Antisemitismus in den eigenen Reihen verlässt das Gros der Abgeordneten die Fraktion - auch Chef Meuthen. Das befeuert den Konflikt zwischen Meuthen und Bundeschefin Frauke Petry.

Von  Josef Kelnberger, Stuttgart

Die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag spaltet sich. Fraktionschef Jörg Meuthen, der auch einer der beiden Bundesvorsitzenden der Partei ist, und zwölf weitere Abgeordnete verlassen die bisher insgesamt 23 Mitglieder zählende Fraktion. Das teilte Meuthen am Dienstag in Stuttgart mit. Grund ist der Streit um den Umgang mit dem Abgeordneten Wolfgang Gedeon, der mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert wird. "Wir bedauern ausdrücklich, die Trennung vollziehen zu müssen", sagte Meuthen.

Zuvor war es in einer Fraktionssitzung erneut um Aussagen gegangen, die Gedeon in Büchern verbreitet hatte. Er hatte den Holocaust als "gewisse Schandtaten" und "Zivilreligion des Westen" bezeichnet, Holocaust-Leugner "Dissidenten" genannt und sich auf die "Protokolle der Weisen von Zion" bezogen, mit denen Antisemiten eine "jüdische Weltverschwörung" zu belegen versuchen. Nachdem zwei Gutachter zu dem Ergebnis gekommen waren, dass sich Gedeon eindeutig antisemitisch geäußert habe, wollte Meuthen dessen Ausschluss aus der Fraktion am Dienstag zur Abstimmung stellen. Es wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen, doch stimmten nur 13 von 23 Mitgliedern dafür. "Wir sitzen heute nicht als Revolutionäre hier, wir sind die AfD, wir sind die Mehrheit", sagte Jörg Meuthen. Dazu verlas er eine Erklärung des AfD-Bundesvorstands, die ihm und seinen zwölf Weggefährten den Rücken stärkte. Bei dem Treffen des Bundesvorstands, auf dem die Erklärung verfasst wurde, war Parteichefin Frauke Petry aber nicht dabei. Petry, die sich seit Wochen einen Machtkampf mit Meuthen liefert, reiste umgehend nach Stuttgart, um Frieden zu stiften. Am Abend trat sie mit Gedeon vor die Presse. Gedeon kündigte an, er werde die Fraktion freiwillig verlassen. Meuthen und mehrere Abgeordnete seiner Gruppe erklärten daraufhin, die Trennung sei nicht mehr rückgängig zu machen. Wenn es eine Wiedervereinigung geben sollte, dann unter ihrem Dach. Rein rechtlich bilden die zehn verbliebenen Abgeordneten im Landtag die AfD-Fraktion, die 13 ausgetretenen sind fortan unabhängige Abgeordnete. Sie wollen sich zu einer neuen Fraktion zusammenschließen.

Die Causa Gedeon brachte Jörg Meuthen innerparteilich stark unter Druck. Er hatte Anfang Juni zunächst mit Rücktritt gedroht, sollte Gedeon nicht sofort ausgeschlossen werden. Er blieb dann doch, als sich die Fraktion nach einer Intervention Petrys darauf verständigte, unabhängige Gutachten einzuholen. Jedoch gelang es der Fraktion nicht, sich über Experten zu verständigen. Die beiden Gutachten, die am Dienstag vorlagen, waren nicht von der zuständigen Findungskommission bestellt worden.

Seit Wochen schwelt ein Konflikt zwischen Petry und Meuthen, nachdem dieser in einem Hinterzimmertreffen mit Alexander Gauland und Björn Höcke den Führungsstil Petrys kritisiert hatte. Jörg Meuthen sagte am Dienstag, er wisse nicht, was Petry in Stuttgart wolle. Er habe auch nicht die Absicht, sich mit ihr zu treffen.

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SZ vom 06.07.2016
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