Babynamen:Sei brav, Neymar Ronaldo!

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Wie Eltern in Südamerika ihre Kreativität ausleben.

Von Christoph Gurk

Es war kurz nach 21 Uhr, als im Krankenhaus von Copiapó, ganz im Norden von Chile, das erste Kind des neuen Jahres geboren wurde: Ein kleiner Junge, 50 Zentimeter groß, 3064 Gramm schwer, so weit, so unspektakulär, wären da nicht die beiden Vornamen, welche die Eltern für ihren Sohn auserkoren hatten: Griezmann und Mbappé. So wie die Nachnamen der Spieler der französischen Nationalmannschaft? Ganz genau.

Im örtlichen Krankenhaus schien man sich daran nicht weiter zu stören. Die Klinik jedenfalls verbreitete die Kunde von der Geburt des kleinen Griezmann Mbappé fröhlich über Twitter. Dort hagelte es dann aber Spott und Hohn, dazu auch noch Mitleid, Unverständnis und offene Ablehnung.

Ganz unberechtigt ist die Kritik natürlich nicht: Was, wenn der kleine Griezmann Mbappé auf dem Bolzplatz eine Nulpe ist? Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass sein Name zwar extravagant ist, aber im lokalen Vergleich auch nicht außergewöhnlich, schließlich suchen Eltern in Chile und ganz Lateinamerika seit Jahrzehnten immer ausgefallenere Namen für ihre Kinder.

Nicht nur französische Fußballspieler werden da zu Namensgebern: In São Paulo, zum Beispiel, wohnt ein gewisser Franz Beckenbauer Ribeiro de Lima e Silva. Weniger sportbegeisterte Eltern lassen sich ohnehin auch lieber von Schauspielern inspirieren, von Promis und Präsidenten, Despoten und sogar Diktatoren. So ist es heute durchaus möglich, in einem abgelegenen Andental auf einen gewissen Marlon Brando zu treffen oder in den Weiten des Chaco einer Leididy zu begegnen, benannt natürlich nach Diana Spencer, der Princess of Wales. Ecuadors Ex-Präsident Lenín Moreno heißt so wegen des kommunistischen Führers, und nachdem eine Staatsanwältin in Brasilien Nazipropaganda im Netz vertrieben hatte, kam heraus, dass ihr Vater den doch recht eindeutigen Namen Hitler Mussoline Domingues Pacheco trägt.

Nicht immer muss Weltanschauung der Grund für die Namenswahl sein. Oft finden Väter oder Mütter einfach den Klang eines Namens schön oder lesen irgendwo ein Wort, das ihnen gefällt: Xerox, wie die Kopiergeräte, oder Usnavy, so wie es auf den Schiffen der US-Marine steht.

Den Eltern geht es bei ihrer Namenswahl natürlich darum, sich von ihrem Umfeld abzusetzen, das Phänomen gibt es in Deutschland auch. In Lateinamerika werden der Kreativität aber faktisch oft keine Grenzen gesetzt. Sogar freie Erfindungen sind manchmal erlaubt, was in Kuba von den 70er-Jahren an zu einem wahrhaftigen Trend von Y-Fantasienamen geführt hat: Yaniel, Yulieski, Yohandra und auch Yoani, so wie die berühmte kubanische Journalistin Yoani Sánchez, deren regimekritischer Blog nicht ohne Grund "Generación Y" heißt.

Im Falle des kleinen Griezmann Mbappé ist das Motiv für die Namenswahl klar: die Fußballbegeisterung der Eltern. Er habe den ersten Namen auswählen dürfen, erklärte der Vater in einem Interview, der zweite sei die Entscheidung der Mutter gewesen. Dass sich beide ausgerechnet für französische Spieler entschieden haben, sei auch ganz einfach zu erklären: Die Namen anderer Fußballcracks sind in der Familie schon vergeben. So heißt ein Cousin des Neugeborenen Neymar Ronaldo, ein anderer Leonel Messi.

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