Pakistan:Das ist die erste Frau an Pakistans höchstem Gericht

Pakistan: Fleißig und diszipliniert: Ayesha Malik arbeitete als Anwältin in Karatschi, ehe sie Richterin wurde.

Fleißig und diszipliniert: Ayesha Malik arbeitete als Anwältin in Karatschi, ehe sie Richterin wurde.

(Foto: Twitter.com/National Assembly of Pakistan)

Gegen alle patriarchalischen Widerstände hat es die 55 Jahre alte Juristin geschafft: Ayesha Malik, eine Starke Stimme für Frauenrechte, ist erste Richterin am Supreme Court.

Von Arne Perras

Ihre Vereidigung übertrug das pakistanische Fernsehen live, wie es üblich ist bei neuen Gesichtern im Obersten Gerichtshof. Die Stimme von Ayesha Malik hallte durch den hohen Festsaal des Supreme Court, ein stattlicher, fast pompöser Raum, dessen Wände mit sandfarbenem Marmor verkleidet sind. Die Richterin leistete ihren Schwur mit ruhiger Stimme und ohne ersichtliche Regung, als wäre gar nicht viel passiert.

Aber es ist doch alles andere als Routine, dass die 55-jährige Juristin nun in den Kreis der obersten Richter Pakistans aufsteigt. Sie hat tatsächlich "die Glasdecke durchschlagen", wie ein Moderator des Senders Geo-TV kommentierte, in einer Mischung aus Verwunderung und Euphorie.

Nach 75 Jahren sitzt erstmals eine Frau in der höchsten juristischen Instanz - auch wenn es beinahe schiefgegangen wäre. Es ist nicht übertrieben, diesen Schritt als geradezu revolutionär einzustufen. Denn nach den ungeschriebenen Gesetzen des herrschenden Patriarchats, das die überwiegend von Muslimen bevölkerte Gesellschaft in Pakistan prägt, war das nicht vorgesehen. Und Maliks Aufstieg stieß bis zuletzt auf verbissenen Widerstand.

Ihre Wahl fiel denkbar knapp aus, mit 5:4 Stimmen

Da protestierten noch Ende des Jahres einflussreiche Juristen, dass es so nicht gehen könne, sie drohten sogar mit Streik. Kritiker beklagten einen mutmaßlichen Verstoß gegen das Senioritätsprinzip, wonach einige männliche Kollegen mehr Erfahrung vorzuweisen hätten und deshalb vorher an der Reihe gewesen wären. Schließlich fiel die Wahl in der zuständigen Kommission denkbar knapp aus: fünf Stimmen für Malik, vier gegen sie.

Richterarbeit in Pakistan galt bisher als Männersache, vor allem auf den höheren Ebenen. Nur vier Prozent der Richter an den obersten Gerichtshöfen der Landesprovinzen sind Frauen.

Auf ihrem letzten Posten am Gerichtshof von Lahore hat Richterin Malik bereits bewiesen, dass sie eigene Akzente setzt. Dort hat sie die Anwendung von "Jungfräulichkeitstests" - auch Zwei-Finger-Tests genannt - bei Opfern von Vergewaltigungen verboten, ein richtungweisendes Urteil zum Schutz pakistanischer Frauen. Die Praxis sei "erniedrigend" und "forensisch nutzlos", schrieb Malik in ihrer Begründung. Die Tests würden dazu benutzt, um "Verdacht auf das Opfer zu lenken, anstatt sich auf den Täter zu konzentrieren und die sexuelle Gewalt".

Sie will Stimme sein. Eine Stimme, die Missstände benennt

Malik sagt, dass es ihr im Leben immer darum gegangen sei, "Stimme zu sein"; sie will Missstände aufdecken und möglichst geraderücken, wenn zum Beispiel Menschen diskriminiert werden oder wenn sich gefährliche Stereotype festsetzen. Und es war ihr stets wichtig, die "Genderperspektive" einzubringen, wie sie in einem Interview sagte. In Lahore initiierte sie Trainingskurse, die Richter für Genderfragen sensibilisieren sollten.

Über ihr Privatleben hat Malik öffentlich nie viel erzählt, die Juristin ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie ist bekannt für ihren Fleiß und ihre Disziplin, ihren neuen Posten wird sie bis 2031 besetzen. Er bildet den Höhepunkt einer Karriere, die mit einem Jurastudium in Lahore begann und sie nach Harvard führte. Sie arbeitete als Anwältin in Karatschi, ehe sie Richterin wurde.

Wer sich in Pakistan für Frauenrechte einsetzt, muss viel Courage haben

In der Zivilgesellschaft macht sich Freude über Maliks Aufstieg breit, dort zollt man ihr großen Respekt. Wer sich in Pakistan für Frauenrechte einsetzt, weiß, wie viel Courage dafür nötig ist. Denn dort beanspruchen oft religiöse Hardliner und selbsternannte Sittenwächter die moralische Deutungshoheit. Und sie bringen den Islam in Stellung, um progressive Kräfte einzuschüchtern. Mancherorts geht es dabei nicht viel toleranter zu als bei den Taliban in Afghanistan.

Vor allem die Gewalt, die viele Pakistanerinnen zu Hause erleiden, sind ein Tabu, die Täter kommen straflos davon. Patriarchalische Gewohnheiten wirken als Fesseln, doch es gibt auch Bewegung, wie der Aufstieg Maliks ins höchste Gericht des Landes zeigt.

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