Iran-Krise:Wenn der Ayatollah selbst predigt, wird es ernst

Iran's Supreme Leader Ayatollah Ali Khamenei gestures as he delivers Friday prayers sermon, in Tehran

Erstmals seit 2012 hielt Irans Oberster Führer Ali Chamenei die Freitagspredigt in Teheran - auch damals stand seine Ansprache im Zeichen der Atomkrise.

(Foto: VIA REUTERS)
  • Erstmals nach acht Jahren hat Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei selbst das Freitagsgebet geleitet.
  • In dessen Zentrum stellte Chamenei Irans Rache für die Tötung des Revolutionsgarden-Generals Qassim Soleimani und den folgenden Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine durch die Luftabwehr.
  • Er ging aber auch auf die Zukunft des Atomabkommens ein.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Acht Jahre ist es her, dass Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei selbst das Freitagsgebet geleitet hat. Er tut das nur in einer Krisensituation oder wenn er Botschaften mit grundlegender Bedeutung für die Islamische Republik zu verkünden hat. Die vergangenen zwei Wochen seien ereignisreich und außergewöhnlich gewesen, zitierte sein Büro den Text der Predigt. Es habe "bittere und süße Ereignisse" gegeben, aus denen das iranische Volk Lehren ziehe. Das lässt schon die Bedeutung seines Auftritts am Freitag ermessen. In dessen Zentrum stellte Chamenei Irans Rache für die Tötung des Revolutionsgarden-Generals Qassim Soleimani und den folgenden Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine durch die Luftabwehr, er ging aber auch auf die Zukunft des Atomabkommens ein.

Den Raketenangriff auf zwei von den Amerikanern genutzte Stützpunkte im Irak bezeichnete Chamenei als "Schlag gegen das Prestige" der Supermacht USA, die er als "arrogant" bezeichnete und des Terrorismus bezichtigte. Wie das Pentagon bekanntgab, waren bei dem Angriff der Iraner doch elf US-Soldaten verletzt worden. US-Präsident Donald Trump hatte zunächst behauptet, niemandem sei etwas geschehen. Womöglich war das eine absichtliche Unwahrheit, um keinen Druck auf eine weitere militärische Antwort und Eskalation entstehen zu lassen. Laut dem Pentagon wurden die Soldaten wegen des Verdachts auf Gehirnerschütterungen behandelt und nach Kuwait sowie nach Deutschland ausgeflogen.

Chamenei nahm dagegen mit Blick auf den unabsichtlichen Flugzeugabschuss die Revolutionsgarden in Schutz. Sie garantierten die Sicherheit des Landes. Zugleich beschuldigte er die Feinde Irans, sich über den "extrem bitteren Vorfall" gefreut zu haben, weil sie ihn als Möglichkeit gesehen hätten, Irans Ruf zu zerstören und die Revolutionsgarden zu unterminieren. Sie hätten auch von Soleimanis "feiger Ermordung" ablenken wollen.

Die einstündige Predigt war darauf angelegt, die Einheit der Nation zu demonstrieren. Um Chamenei war auf der Mosalla, dem großen Gebetsplatz im Norden Teherans, nicht nur die gesamte derzeitige Staatsführung versammelt, sondern auch Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad sowie Amir Ali Hadschisadeh, der Kommandeur der Luftwaffe der Revolutionsgarden, die sowohl den Angriff auf die USA ausführte als auch die Boeing 737-800 der Ukraine International Airlines mit 176 Menschen an Bord abgeschossen hatte.

Chamenei verwies auf die - nach seinen Worten - zehn Millionen Teilnehmer der Trauerzüge für Soleimani. Die Demonstranten, die nach dem Abschuss in Teheran und in mehr als einem Dutzend anderer Städte gegen das Regime protestiert hatten, nannte er "Handlanger der USA", die er ebenso wie Großbritannien beschuldigte, die öffentliche Meinung über den Abschuss manipuliert zu haben. Chamenei bezeichnete US-Präsident Trump angesichts dessen Solidaritätserklärungen auf Twitter als "Clown".

"Eiserne Faust im Samthandschuh"

Auch gegen Frankreich, Großbritannien und Deutschland wetterte der Oberste Führer. Diese trügen "eine eiserne Faust im Samthandschuh", sagte er mit Blick auf die Entscheidung der Europäer, den Schlichtungsmechanismus aus dem Atomabkommen zu aktivieren. "Diesen europäischen Ländern ist nicht zu trauen", so Chamenei, er schloss Verhandlungen aber nur mit den USA aus.

Die Bundesregierung hat inzwischen bestätigt, dass die USA den Europäern mit Autozöllen gedroht haben, sollten sie diesen Schritt nicht gehen. Das sei in einer Telefonkonferenz der politischen Direktoren der Außenministerien in den Raum gestellt worden, hieß es. Allerdings verweisen Diplomaten darauf, dass die Europäer Iran diesen Schritt bereits im November angekündigt und dies bei einem Treffen der verbliebenen Vertragsparteien im Dezember in Wien wiederholt hätten. Dessen ungeachtet hatte Außenminister Mohammad Dschawad Sarif Berichte über die Drohung als Beleg gewertet, dass die Europäer unter dem Druck Trumps eingeknickt seien.

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