Süddeutsche Zeitung

Aviv Geffen:Schriller Star mit harter Message

"Es ist ein Punk-Leben": Der israelische Popstar Aviv Geffen, der an manchen Tagen nur mit kugelsicherer Weste auf die Bühne geht, singt für den Frieden.

Franziska von Kempis

Im eleganten Berliner Adlon-Hotel sitzt Aviv Geffen im roten Anzug auf einem ebenfalls eleganten Sofa. Der Anzug leuchtet, die gegelten Haare fallen schräg in die Stirn, die Stimme klingt nach einer langen Nacht. Der israelische Popstar mit den unbequemen Ansichten sitzt in ganz entspannter, fast gemütlicher Atmosphäre.

Dann greift Geffen zur Gitarre, er möchte sein neues Lied "Heroes" vorstellen. Schnell zeigt sich, warum dieser Mann in seiner Heimat als politischer Friedensaktivist so berühmt ist. "Don't send your boy, when the country calls you."-"Schick deinen Sohn nicht hin, wenn dein Land ihn ruft" singt Geffen die letzte Textzeile seines Liedes. Sterbende Soldaten, unnötige, weil posthume Heldenverehrung: Geffens neuer Song will provozieren.

Er ist der Sohn des israelischen Dichters Jonatan Geffen, eines Neffen von Mosche Dajan, einem General im Jom-Kippur-Krieg - und er ist überzeugter Militärdienstverweigerer. Seine Songtexte befassen sich mit Gewalt, Hass und Drogen. Doch die schrille Persönlichkeit - er tritt oft stark geschminkt und in Frauenkleidern auf - hat eine harte Message.

Geffen, der Friedensaktivist, hofft auf friedliche Lösungen, er will den Krieg im Gaza-Streifen schnellstmöglich beendet sehen. "Am besten wäre, wenn Olmert die gesamte arabische Welt nach Jerusalem holen würde, um unter dem Mantel Chinas, Russlands und der USA eine palästinensisch-israelische Einigung zu erzwingen." Erst wenn alle zwangsvereinigt seien, könne endlich weißer Friedensrauch über den Dächern von Jerusalem aufsteigen. Für den Sänger ist der Frieden möglich.

Er ist überzeugt, dass Kommunikation und Aufeinanderzugehen irgendwann zum Ziel führen werden: "Die Tatsache, dass ich als Jude heute in Berlin, in Deutschland sein kann und mich darüber freue hier zu sein, ist wunderbar. Ich weiß, dass es nicht dasselbe ist, aber das Verhältnis der Deutschen und der Juden ist trotzdem vergleichbar wie mit dem der Israelis und der Palästinenser. Man kann einfach nicht immer wieder mit der Vergangenheit Krieg führen." Den Glauben an eine friedliche Zukunft hat er nicht verloren.

Sein politisches Engagement, dass sich auch in seinen Songtexten niederschlägt, bringt den Sänger, der nie ohne Bodyguards unterwegs ist, oft in Gefahr: "Es gibt Tage, da spiele ich mit einer kugelsicheren Weste auf der Bühne, weil der Inhalt meiner Songs so brisant ist." Aber das würde ihn nie davon abhalten, seine Botschaft weiterzutragen: "Es ist eben ein echtes Punk-Leben. Es macht mir nichts aus, dafür zu sterben - und das meine ich wirklich so."

Sein Engagement im Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern ist für den Sänger Teil seiner Musik und seines Lebens. Am 4.11.1995 tritt Geffen auf der Friedenskundgebung in Tel Aviv auf, bei der wenige Minuten später der Premierminister Jitzchak Rabin ermordet wird. Das Ereignis verstärkt seine Bemühungen, schon eine Woche später steht Geffen wieder auf der Bühne: "Seitdem bin ich noch aktiver geworden, habe mich immer mehr engagiert, für den Friedensprozess, für eine Einigung." Vor allem junge Israelis sehen in ihm eine Stimme, die ihre Meinung vertritt.

Seit er mit 17 seinen ersten Hit gelandet hat, ist Geffen ein Superstar. In Israel wird er als Idol verehrt. Mit Kritik an seiner Generation spart er nicht: "Ich glaube, wir sind eine völlig verlorene Generation, die in einer Art McDonalds-Land lebt, alles ist schnell und billig. Man kann sich nur den Tod kaufen. Eine Generation ohne Anführer, die ihnen Hoffnung geben." Harte Worte, die sich auch in seinen Songtexten widerspiegeln. Nächstes Frühjahr erscheint, nach 14 israelischen Alben, sein erstes englischsprachiges Album - voller kontroverser Inhalte, die sich gegen Krieg und verlogene Werte richten.

"Die Hamas hat all ihr Geld dafür eingesetzt, die Israelis zu hassen"

Doch er spricht auch aus, was viele Israelis denken. In einer Zeit, in der die Welt mit Entsetzen auf den Gaza-Streifen schaut und die israelischen Angriffe verurteilt, steht Geffen trotz aller Kritik an der politischen Elite hinter seinen Landsleuten: "Ich bin mir der europäischen Wut auf Israel bewusst. Aber stellen Sie sich einmal vor, es ginge hier um Berlin oder New York. Stellen sie sich vor, sie wären seit acht Jahren in der israelischen Situation. Da würde auch niemand einfach zuschauen und sagen, ja klar, macht doch was ihr wollt. Meine Regierung muss die Israelis beschützen."

Sein Herz sei bei den Palästinensern, die Schuld läge bei der Hamas. "Die Hamas hat all ihr Geld dafür eingesetzt, die Israelis zu hassen." Jedoch dürfe man nicht vergessen, dass die Hamas demokratisch gewählt worden sei. Er habe immer für den Frieden gekämpft, doch Verständnis für die Handlungen der Hamas könne er nicht aufbringen.

Geffens Engagement hat ihm in Israel die Rolle eines musikalischen Friedenshelden eingebracht. Die Hoffnung auf Frieden treibt ihn an, je länger er spricht, desto erregter wird er: "Dieser Krieg darf nicht die Lösung sein, wir müssen reden, wir müssen uns notfalls gegenseitig die blutige Hand reichen." Für ihn darf es nur eine friedliche Lösung für alle Parteien geben: "Wenn nicht, kann ich mir auch eine Pistole besorgen, und mich selbst, meinen Sohn und meine Frau erschießen und uns im Boden vergraben. Israel ist mein Zuhause und ich werde alles dafür tun, dass dieser Ort wieder für alle eine sichere Heimat wird."

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