Süddeutsche Zeitung

Avichai Mandelblit:Der Mann, der Netanjahu stürzen könnte

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Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Jenen Mann, der sein politisches Ende bewirken könnte, hat Israelis Premierminister Benjamin Netanjahu selbst für dieses Amt vorgeschlagen: Seit 2016 ist Avichai Mandelblit Generalstaatsanwalt. Wegen der Ermittlungen gegen den Regierungschef, die nun in Anklageempfehlungen in allen drei Korruptionsfällen wegen Bestechlichkeit, Untreue und Betrug mündeten, war Mandelblit in den vergangenen Monaten großem Druck ausgesetzt. Den einen ging es nicht schnell genug; die anderen bezeichneten die Vorwürfe als haltlos und betrachteten es als unzulässige Einmischung in die Wahlen, dass Mandelblit kurz vor dem Urnengang am 6. April seine Entscheidung bekannt gab.

Aber der 55-Jährige ließ sich weder von den monatelangen Demonstrationen vor seinem Haus in Petach Tikwa zur Eile verleiten, noch von Netanjahus Anhängern von seinem Vorgehen abhalten. Dass er sich von Netanjahu "Hexenjagd" vorwerfen lassen musste und in eine Reihe mit seinen anderen Feindbildern, den Linken und Journalisten, gestellt wurde, focht ihn ebenfalls nicht an. Er wurde im Vorjahr sogar auf einem Weg zur Synagoge angegriffen. Nachdem das Grab seines Vaters Mickey vergangenen Dezember geschändet worden war, stellte man ihm mehrere Bodyguards zur Seite.

"Ich erledige meine Arbeit so schnell wie möglich, gründlich und professionell", erklärte der stets mit leiser Stimme sprechende promovierte Jurist. In seinem 57 Seiten umfassenden Dokument begründet er seine Entscheidung für die Anklageerhebungen - vor denen es noch eine Anhörung Netanjahus geben wird - Punkt für Punkt. Mandelblit wendet sich dabei direkt an den Regierungschef: Als er für den Telekomkonzern Bezeq rechtliche Vergünstigungen ermöglichte und so dem Eigentümer Schaul Elovitch zu 500 Millionen US-Dollar verhalf, habe Netanjahu gewusst, was er tat: "Sie haben Gefälligkeiten angenommen", schreibt Mandelblit an Netanjahu, "Sie wussten als Staatsdiener, dass es sich um Bestechung handelt." Elovitch habe im Gegenzug "grob" bei seinem Nachrichtenportal Walla interveniert, um eine positivere Berichterstattung über Netanjahu durchzusetzen.

Es war auch Netanjahu, der Mandelblit 2013 zum Kabinettssekretär gemacht hat. Freunde erzählen, diese Position habe er angenommen, weil ihm Netanjahu versprochen habe, er könne sich als Ministerberater "aus der Politik raushalten".

Mandelblit gilt als Mann, der sich nur dem Recht und seinem Gewissen verpflichtet fühlt - unabhängig von politischen oder sonstigen Interessen. Das war schon in seiner Zeit bei der Armee so, in der er insgesamt 27 Jahre diente und es bis zum Top-Juristen und Generalmajor brachte. Dass er sich nicht einschüchtern lässt, hat er als militärischer Generalstaatsanwalt bewiesen. Er klagte 2010 drei Soldaten wegen Fehlverhaltens im Gaza-Einsatz an. Daraufhin wurde das Wort "Verräter" von rechten Demonstranten auf seine Hauswand gesprüht.

Mandelblit legte sich mit der gesamten Regierung an

Mandelblits Vater war Mitglied der säkularen rechten Herut-Partei, er selbst wurde im Alter von 26 Jahren zum orthodoxen Juden, der stets seine schwarze Kippa trägt. Der Vater von sechs Kindern genießt auch in Reformkreisen Wertschätzung, seit er maßgeblich an der Aushandlung eines Kompromisses im Streit um die Gebetsbereiche vor der Klagemauer in Jerusalem beteiligt war. Die Regierung legte die Regelung aber später nach Protesten Ultraorthodoxer auf Eis.

Als Generalstaatsanwalt stellte er sich 2017 gegen die ganze Regierung. Er weigerte sich, das von der Koalition verabschiedete Gesetz zur nachträglichen Anerkennung jüdischer Siedlungen auf palästinensischem Land zu verteidigen - er nannte es verfassungswidrig.

Ob Netanjahu im Amt bleibt, werden die Wähler und womöglich ein Gericht entscheiden. Mandelblit kann jedenfalls nicht abgelöst werden, seine Amtszeit als Generalstaatsanwalt läuft bis zum Jahr 2022.

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SZ vom 02.03.2019
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