Süddeutsche Zeitung

"Autopilot"-Unfälle:Autobauer Tesla in Erklärungsnot - EU prüft

Der US-Hersteller gerät nach Unfällen mit per Computer gesteuerten Wagen unter Druck. Eine Zulieferfirma kritisiert den "Autopiloten": Die Kameras seien gar nicht in der Lage, kreuzende Fahrzeuge zu erkennen.

Von Peter Fahrenholz

Der US-Konzern Tesla steht im Verdacht, bei seinen Fahrzeugen mit "Autopilot" Komponenten eingesetzt zu haben, die dafür gar nicht ausgelegt sind. Dies ergibt sich nach zwei Unfällen - davon einer mit tödlichem Ausgang - aus Äußerungen eines Zulieferers. Demnach wäre das Autopilotsystem von Tesla, mit dem die Fahrzeuge selbständig lenken, Gas geben und bremsen können sollen, nicht in der Lage, diese Anforderungen zu erfüllen.

Beim ersten Unfall Anfang Mai war ein per Autopilot gesteuerter Tesla mit einem querenden Lkw kollidiert, der Fahrer kam dabei ums Leben. Tesla hatte danach erklärt, das System habe die hohe weiße Seitenwand des Lkw-Anhängers vor dem hellen Himmel nicht erkannt, sondern möglicherweise für ein Straßenschild gehalten und deshalb keine automatische Bremsung ausgelöst. Der Fahrer hatte zum Unglückszeitpunkt seine Hände nicht wie vorgeschrieben am Steuer und konnte nicht mehr selber eingreifen. Bei einem zweiten Unfall vor wenigen Tagen kam ein Tesla von der Straße ab und überschlug sich danach. Nach Angaben des Fahrers soll zum Unfallzeitpunkt der Autopilot eingeschaltet gewesen sein, die Behörden untersuchen derzeit den Vorfall.

Der israelische Kamera-System-Lieferant Mobileye hat jetzt klargestellt, dass die von ihm gelieferten Kameras für Tesla gar nicht in der Lage sind, seitlich kreuzende Fahrzeuge zu erkennen. Solche Situationen könnten die Mobileye-Systeme erst vom Jahr 2018 an erkennen. Tesla selbst reagierte auch auf Nachfragen noch nicht auf diese Darstellung. Bisher hatte der Hersteller immer betont, dass der Autopilot, der aus mehreren Komponenten bestehe, sich noch in der Erprobungsphase befinde. Er sei deswegen lediglich ein Assistenzsystem, bei dem der Fahrer weiterhin selbst auf den Verkehr achten müsse. In Internetforen kursieren Videos, in denen Tesla-Fahrer zu sehen sind, wie sie die Hände beim Fahren nicht am Steuer haben.

In Brüssel wird schon seit Längerem darüber diskutiert, ob der Autopilot überhaupt von der europäischen Typenzulassung gedeckt ist. Denn genehmigt wurden dem US-Unternehmen technische Komponenten wie Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren, die für die Abstandsregelung, die Spurhaltefunktion und für das kollisionsfreie Einparken gebraucht werden - von einem Autopiloten steht aber offenbar nichts in der Zulassung. Tesla hat diesen Autopiloten jedoch im vergangenen Herbst eingeführt, noch bevor vergleichbare Systeme im neuen 7er BMW und in der neuen Mercedes E-Klasse verfügbar waren. Ermöglicht wurde das durch ein einfaches Software-Update, das sich Kunden ohne Werkstattbesuch über eine Wlan-Verbindung herunterladen konnten.

Auch an einer anderen Front gerät Tesla-Chef Elon Musk unter Druck. Tesla soll zu einem Zeitpunkt, als sich der Unfall bereits ereignet hatte aber noch nicht bekannt war, Aktien im Wert von 1,4 Milliarden Dollar verkauft haben. Nach Berichten über den Unfall brach der Kurs der Tesla-Aktien zunächst ein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3067753
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.07.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.